Eurovision Song Contest „Ich habe keine Angst vor null Punkten ...“
Interview Der Avantasia-Sänger über den Wettbewerb, Zeitdiebe und seine Tochter
Hammerharter Sound – und mit ihrer Metal-Mucke unterwegs auf neuen Wegen. Die Rocker von Avantasia treten heute beim „Eurovision Song Contest“-Vorentscheid an. Vorher traf Sänger Tobias Sammet (38) die MOPO.
MOPO: Mit Ihrem neuen Album „Ghostlights“sind Sie sofort ganz vorne in den Charts gelandet. Warum wollen Sie sich den Musik- Contest antun? Tobias Sammet: Ich habe mich nicht darum gerissen, aber bekam einen Anruf von meiner Plattenfirma ... Fünf Minuten habe ich überlegt – das habe ich noch nie gemacht, das ist spannend, das ist Bühne – und dann gedacht: Warum nicht? Weil Ihre Band sehr erfolgreich ist! Da muss man nicht eine Pleite beim ESC riskieren, oder? Ich habe keine Angst vor zero points. Als Musiker müsste man bescheuert sein, wenn man sich so eine Möglichkeit entgehen lässt: Drei Minuten, um Millionen musikinteressierten Menschen zu zeigen, dass es uns gibt? Und egal was beim Vorentscheid passiert, ein paar Tage später geht unsere achtwöchige Welttournee los. Selbst wenn wir beim ESC-Vorentscheid oder beim Contest abkacken, wird es keinen nachhaltigen Einfluss auf unsere Karriere nehmen. Der ESC ist Schmusidusi, Sie machen Heavy Metal – wie passt das zusammen? Ja, wir fliegen ein bisschen unter dem Radar. Aber wir punkten mit handgemachter geiler Mucke. Wir sind authentisch, einzigartig. Es gibt Fans in England, Russland, Schweden, Finnland, die für uns anrufen würden. Ich bin heiß auf den ESC und es passt: Ich habe im Mai noch nichts vor. Sie schreiben die Songs selbst. Welcher auf dem Album „Ghostlights“ist Ihr Lieblingstitel? Das variiert täglich. Das Ganze ist ein Konzeptalbum und es geht um die Beschleunigung der Zeit. Man könnte fast sagen, es geht in die Richtung „Momo“. Aber bei uns ist es düsterer. Heavy Metal eben. Rennt Ihnen denn auch manchmal die Zeit davon? Ja, das ist ganz furchtbar. Ich hänge da voll drin. Unsere Gesellschaft ist so rasend schnell geworden, alles wird effektiviert – gibt es das Wort überhaupt? Na, egal, den halben Wortschatz von Udo Lindenberg gibt es eigentlich auch nicht. Und trotzdem ist er geil. Aber zurück zum Thema: Alle sollen funktionieren, jeder strampelt, jeder hat 7841 Facebook-Freunde, denen er alles erzählt … Sie auch? Ich mache es zum Teil mit, weil Klappern zum Handwerk gehört. Ich habe bei Facebook zwischen 500 000 und 600 000 Freunde … Wenn man Ihnen täglich Stunden schenken würde … Das ist wie mit einem Hausanbau: Man kriegt jedes Zimmer voll. Was bei mir zu kurz kommt, ist die Familie! Ich habe eine zweijährige Tochter und eine Frau, denen werde ich nicht immer gerecht. Meine Frau hat zum Glück Verständnis – aber wenn ich auf Tour bin, denke ich schon manchmal: Jetzt würde ich die Kleine gern ins Bett bringen und ihr noch was vorsingen.
„ Meine Familie kommt zeitlich ein bisschen zu kurz.“Tobias Sammet
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