Untergegangene Heimat
schrieben: „Von Walters-Hof zum Containerterminal“.
Auch für Detlef Baade ist die Sturmflut eine Erinnerung, die er am liebsten auslöschen würde. „Am nächsten Tag konnten wir die toten Kinder in den Bäumen hängen sehen, auch welche, die wir kannten. Das vergisst man nie.“
Zum Gedenken verliest Baade im „Duckdalben“die Namen der Toten. Albert und Anna Adler, Brigitte Bennewitz, Christa Bennewitz, Angelika Bennewitz, Holger Bennewitz, Rüdiger Bennewitz ... Baade muss schlucken. „Das waren sechs Geschwister. Und nur der Jüngste hat überlebt.“
Schnell lenkt Baade die Gedanken der Zuhörer hin zu den schönen Erinnerungen. Zu den guten alten Zeiten. Mit Worten spaziert er durch das kleine Geschäftsviertel von Waltershof. Zeitungen und Eis gab es bei Fredericksen. Tabak bei Frau Radiecek. Dann war da noch der Kohlenhändler Wallner und der Züchter namens „HundePaul“mit dem Köter, vor dem alle Angst hatten. „Achj a!“, rufen die Zuhörer. „Richtig!“, freuen sie sich und in ihren Ohren klingelt das Glöckchen, das der Milchmann Breckwold beim Ausliefern bimmelte.
„Waltershof war ein Paradies“, sagt Detlef Baade. „Wir sind auf Bäume geklettert, haben in der Elbe geangelt und mit Kriegsmunition gespielt.“Als echter Lausejunge hat er mit seinen Kumpels auch Streiche gespielt. Da wurden die Waggons der Bundesbahn angeschoben, Weichen gestellt. „Einmal ist uns dabei ein Waggon entgleist“, erzählt Baade lachend.
Baade hat die Verbindung zum Ort seiner Kindheit nie abgebrochen: Er arbeitet bei Eurogate in der Kurt-Eckelmannist dort Betriebsrat. Von dort ist er einmal zu der Stelle gegangen, an der sein Elternhaus früher stand, in dem der Friseursalon seines Vaters, des Widerstandskämpfers und KZÜberlebenden Herbert Baade, war. Er sah nur Container. „Das war ein komisches Gefühl“, sagt er. „Ein Gefühl innerlicher Trauer.“
Heute wohnt der 61-Jährige in Neugraben. „Auf 56 Metern Höhe“, betont er, dem das Wasser in der Flutnacht bis zur Brust stand. „Als Waltershofer hat man die Gefahr immer im Hinterkopf.“
„ Die Flut überlebt zu haben, schweißt uns bis heute zusammen.“Johannes Tönnies