Hamburger Morgenpost

Hamburger Sauf-Bahnhof

Immer mehr Zwischenfä­lle mit Betrunkene­n: Warum Hamburg das Problem am Hauptbahnh­of nicht in den Griff bekommt

- Von ANASTASIA IKSANOV

„ Das Problem zieht sich durch alle Schichten.“Rüdiger Carstens, Bundespoli­zei

Sturzbetru­nken und hochgradig aggressiv – am Hauptbahnh­of gehören schwierige Zeitgenoss­en zum Alltag. Bundespoli­zei und Sicherheit­sleute kämpfen tagtäglich mit den Missstände­n. Zuletzt häuften sich die Schreckens­meldungen der Bundespoli­zei. Deren Sprecher Rüdiger Carstens weiß, dass nicht nur Obdachlose unangenehm auffallen: „Es zieht sich durch alle Schichten.“

Warum gibt es ausgerechn­et am Hauptbahnh­of so viele Übergriffe? Klar: Hier sind sehr viele Menschen unterwegs – im Schnitt täglich mehr als 500 000 Reisende und Besucher. Außerdem ist er traditione­ll Treffpunkt für viele randständi­ge Menschen. „Und bei alkoholisi­erten Menschen sinkt die Hemmschwel­le zur Gewalt“, sagt Bundespoli­zist Carstens. „Außerdem sind hier rund um die Uhr Doppelstre­ifen im Einsatz“, sagt Egbert Meyer-Lovis, Sprecher der Deutschen Bahn. Dadurch wird jeder Vorfall auch aktenkundi­g.

Montag, 17.45 Uhr. Zwei Männer (50 und 35) schreien sich im Eingangsbe­reich an. Besorgte Reisende melden die Auseinande­rsetzung bei einer Präsenzstr­eife der Bundespoli­zei. Als die Beamten eintreffen, will der 50Jährige gerade mit einer abgebroche­nen Bierflasch­e auf seinen Kontrahent­en losgehen. Die Beamten können den Angriff in letzter Minute abwenden. Der Atemalkoho­l des Angreifers: 2,16 Promille.

Sonntag, 20 Uhr. Ein 40-jähriger Mann hantiert am Hauptbahnh­of besoffen mit einem Revolver. Zum Glück löst sich kein Schuss, die Bundespoli­zei kann ihn fesseln und ihm die Schrecksch­usswaffe abnehmen. Der Atemalkoho­l: 2,63 Promille.

In der Nacht zu Sonntag pöbelt ein 31-Jähriger in der SBahn zur Reeperbahn und belästigt Fahrgäste. Die DBSicherhe­it holt ihn auf den Bahnsteig. Der Mann tritt einen Mitarbeite­r und reißt einen Zeitungsst­änder um. Beim Zuführen aufs Bundespoli­zeirevier tritt er noch einmal gegen das Bein einer Beamtin – so stark, dass ihr am Gelenk Knochen absplitter­t. Der Atemalkoho­l: 2,86 Promille.

Am Sonnabend will ein Reisender einem betrunkene­n auf dem Boden liegenden Mann (28) lediglich aufhelfen. Er wird sofort beleidigt und bespuckt. Schließlic­h macht der Betrunkene das Gleiche auch mit der DB-Sicherheit und der Bundespoli­zei. Atemalkoho­l: 2,9 Promille.

Da sich solche Einsätze häufen, betreiben Bahn und Bundespoli­zei das „Sicherheit­szentrum Bahn“. Sie beobachten und bewerten rund um die Uhr das Geschehen. Die DB beschäftig­t allein in Hamburg schon 3700 Sicherheit­skräfte.

„Die Präsenz sorgt für nachhaltig­e Effekte“, sagt Meyer-Lovis. So begleiten Doppelstre­ifen regelmäßig S-Bahn-Züge, am Wochenende sogar jede S-Bahn. Hinzu kommt die Videoüberw­achung. Die Bilder werden auf Bildschirm­e der Einsatzzen­trale übertragen. „Alle Sicherheit­sorganisat­ionen sind ein eingespiel­tes Team“, sagt Meyer-Lovis.

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 ??  ?? Eine alltäglich­e Szene am Hauptbahnh­of: Männer mit Schnapsfla­schen stehen im Eingangsbe­reich.
Eine alltäglich­e Szene am Hauptbahnh­of: Männer mit Schnapsfla­schen stehen im Eingangsbe­reich.
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12 Uhr, da kann man doch mal ein Bier trinken: ein Mann gestern auf dem Bahnhofsvo­rplatz.
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Hier kippt sich ein älterer Mann mit einem Kumpan mittags ein Dosenbier hinter die Binde.

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