Hamburger Sauf-Bahnhof
Immer mehr Zwischenfälle mit Betrunkenen: Warum Hamburg das Problem am Hauptbahnhof nicht in den Griff bekommt
„ Das Problem zieht sich durch alle Schichten.“Rüdiger Carstens, Bundespolizei
Sturzbetrunken und hochgradig aggressiv – am Hauptbahnhof gehören schwierige Zeitgenossen zum Alltag. Bundespolizei und Sicherheitsleute kämpfen tagtäglich mit den Missständen. Zuletzt häuften sich die Schreckensmeldungen der Bundespolizei. Deren Sprecher Rüdiger Carstens weiß, dass nicht nur Obdachlose unangenehm auffallen: „Es zieht sich durch alle Schichten.“
Warum gibt es ausgerechnet am Hauptbahnhof so viele Übergriffe? Klar: Hier sind sehr viele Menschen unterwegs – im Schnitt täglich mehr als 500 000 Reisende und Besucher. Außerdem ist er traditionell Treffpunkt für viele randständige Menschen. „Und bei alkoholisierten Menschen sinkt die Hemmschwelle zur Gewalt“, sagt Bundespolizist Carstens. „Außerdem sind hier rund um die Uhr Doppelstreifen im Einsatz“, sagt Egbert Meyer-Lovis, Sprecher der Deutschen Bahn. Dadurch wird jeder Vorfall auch aktenkundig.
Montag, 17.45 Uhr. Zwei Männer (50 und 35) schreien sich im Eingangsbereich an. Besorgte Reisende melden die Auseinandersetzung bei einer Präsenzstreife der Bundespolizei. Als die Beamten eintreffen, will der 50Jährige gerade mit einer abgebrochenen Bierflasche auf seinen Kontrahenten losgehen. Die Beamten können den Angriff in letzter Minute abwenden. Der Atemalkohol des Angreifers: 2,16 Promille.
Sonntag, 20 Uhr. Ein 40-jähriger Mann hantiert am Hauptbahnhof besoffen mit einem Revolver. Zum Glück löst sich kein Schuss, die Bundespolizei kann ihn fesseln und ihm die Schreckschusswaffe abnehmen. Der Atemalkohol: 2,63 Promille.
In der Nacht zu Sonntag pöbelt ein 31-Jähriger in der SBahn zur Reeperbahn und belästigt Fahrgäste. Die DBSicherheit holt ihn auf den Bahnsteig. Der Mann tritt einen Mitarbeiter und reißt einen Zeitungsständer um. Beim Zuführen aufs Bundespolizeirevier tritt er noch einmal gegen das Bein einer Beamtin – so stark, dass ihr am Gelenk Knochen absplittert. Der Atemalkohol: 2,86 Promille.
Am Sonnabend will ein Reisender einem betrunkenen auf dem Boden liegenden Mann (28) lediglich aufhelfen. Er wird sofort beleidigt und bespuckt. Schließlich macht der Betrunkene das Gleiche auch mit der DB-Sicherheit und der Bundespolizei. Atemalkohol: 2,9 Promille.
Da sich solche Einsätze häufen, betreiben Bahn und Bundespolizei das „Sicherheitszentrum Bahn“. Sie beobachten und bewerten rund um die Uhr das Geschehen. Die DB beschäftigt allein in Hamburg schon 3700 Sicherheitskräfte.
„Die Präsenz sorgt für nachhaltige Effekte“, sagt Meyer-Lovis. So begleiten Doppelstreifen regelmäßig S-Bahn-Züge, am Wochenende sogar jede S-Bahn. Hinzu kommt die Videoüberwachung. Die Bilder werden auf Bildschirme der Einsatzzentrale übertragen. „Alle Sicherheitsorganisationen sind ein eingespieltes Team“, sagt Meyer-Lovis.