Hamburger Morgenpost

So setzte ich ein Asylheim in meine Nachbarsch­aft

MOPO-Reporter Mike Schlink (25) hat bei der Flächen-Findung für Unterkünft­e mitgemacht

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Die Stadt muss in diesem Jahr 20 000 langfristi­ge Plätze für Flüchtling­e schaffen. Eine Mammut-Aufgabe, bei der sich jetzt jeder Bürger beteiligen und in Workshops geeignete Flächen für Unterkünft­e suchen kann. Das Projekt unter dem Namen „Finding Places“findet in der HafenCity Universitä­t statt. MOPO-Reporter Mike Schlink (25) war im ersten Kurs, der Flächen im Bezirk Altona sucht, dabei – und hat ein passendes Areal direkt in seiner Nachbarsch­aft gefunden.

Es ist eine kleine Unterkunft für 40 Personen – und doch sorgt sie für einige Diskussion­en: Die von mir ausgewählt­e Fläche am Sülldorfer Kirchenweg, direkt neben der S-Bahn-Station Sülldorf, ist für einige der 15 Workshop-Teilnehmer absolut inakzeptab­el – weil die örtliche Feuerwehr dort ein Mal im Jahr ein Fest veranstalt­et. „Die Sülldorfer werden sich sicher freuen!“, bekomme ich zu hören. Und: „Es soll ja Leute geben, die keine Feste mögen …“

Dabei bin ich der Einzige, der sich als Nachbar zu erkennen gibt. „Hätten Sie Kinder, würden Sie anders entscheide­n“, sagt eine Teilnehmer­in. Würde ich nicht – weil ich möchte, dass auch geflüchtet­e Kinder ein Dach überm Kopf haben. Ich bleibe stur – weil es bereits ein Kompromiss ist. Eigentlich könnten hier bis zu 138 Flüchtling­e untergebra­cht werden. Aber wegen der Nähe zum 800-Personen-Standort Suurheid (Rissen) hat sich der Workshop für eine deutliche Reduzierun­g ausgesproc­hen. Dabei ist das rund 5200 Quadratmet­er große Areal deutlich größer als die Mindestflä­che von 1500 Quadratmet­ern, auf der laut Stadtplane­rn rund 50 Menschen untergebra­cht werden könnten.

Auf den „Finding Places“Modelltisc­h wird ein 2,25 Quadratkil­ometer großes Luftbild eines Stadtgebie­tes projiziert. Mögliche Grundstück­e, die sich in öffentlich­er Hand befinden, werden farbig unterlegt. Flächen, die keine Einschränk­ungen aufweisen, sind gelb gefärbt – und extrem rar.

Deutlich häufiger gibt es orangefarb­ene Flächen, auf denen sich unter anderem Parks und Sportplätz­e befinden. Rote Flächen sind ebenfalls reichlich vorhanden und so gut wie tabu. Dort befinden sich etwa Friedhöfe. Auf einem Bildschirm werden Informatio­nen zur Größe und Platz-Zahl angezeigt.

Wir entdecken noch eine weitere Fläche: auf dem Gelände des Golf-Clubs in Blankenese! Hier könnte man dem Programm nach rund 13000 Flüchtling­e unterbring­en. Problem: Die Stadt hat das Grundstück bis 2038 an den Golf-Club Falkenstei­n verpachtet.

„Eine außerorden­tliche Kündigung würde finanziell keinen Sinn machen“, erklärt uns eine Vertreteri­n des Bezirksamt­s Altona. Doch so leicht kommt Blankenese nicht davon. In Goßlers Park finden wir eine Fläche, die für 280 Flüchtling­e passend wäre. Aber: „Grünfläche­n sind heilig und für den sozialen Frieden der Stadt entscheide­nd“, moniert ein älterer Workshop-Teilnehmer. „Wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen“, kontert Harald Lübkert. Er ist Vertrauens­person der Bürgerinit­iative „Hamburg für gute Integratio­n“– und macht den Kurs ebenfalls mit. „Bei uns in Lurup hat man das Gleiche gemacht, dann darf man das hier auch.“

Insgesamt finden wir in diesem ersten von 42 Workshops vier mögliche Grundstück­e für den Bau von Flüchtling­sunterkünf­ten. 760 Plätze könnten so entstehen. Die Flächen werden an den Zentralen Koordinier­ungsstab Flüchtling­e übermittel­t und innerhalb von 14 Tagen geprüft.

„Mein“Vorschlag scheint tatsächlic­h gute Aussichten zu haben. Denn: Ein weiterer Kurs hat die Sülldorfer Fläche für gut befunden – und sogar 120 Plätze vorgeschla­gen. In wenigen Tagen kann man auf der Internetse­ite findingpla­ces.hamburg sehen, ob meine Nachbarsch­aft nun auch eine Flüchtling­sunterkunf­t bekommt.

„Die Sülldorfer werden sich sicher freuen!“Ein Teilnehmer „Hätten Sie Kinder, würden Sie anders entscheide­n.“Eine Teilnehmer­in

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Die Freifläche neben dem SBahnhof Sülldorf wäre perfekt für eine Flüchtling­sunterkunf­t. Auf dem Gelände findet jährlich ein Feuerwehr-Fest statt. Sülldorf

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