Die Waffe kaufte er im Darknet
Ali David S. hat ein „Manifest“geschrieben – genau wie Norwegens Killer Anders Breivik
München – Ali David S. hat seine Tat wochenlang vorbereitet. Er besuchte sogar Winnenden, die Stadt, in der es 2009 zu einem Amoklauf gekommen war, und informierte sich vor Ort. Vor allem aber: So wie der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik hat auch der Amokläufer vom Olympia-Einkaufszentrum ein schriftliches „Manifest“verfasst, zu dessen Inhalt allerdings noch nichts bekannt ist. Die furchtbare Tat von München – die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen:
Woher hatte Ali David S. die
Waffe? Der Amokläufer verwendete eine Glock 17, Kaliber 9 Millimeter. Dabei handelte es sich um eine Theaterwaffe, die wieder schussfähig gemacht wurde. Die Waffe, die ein Prüfzeichen aus der Slowakei trug, beschaffte sich Ali David S. im Darknet – einer Art ParallelInternet, das Kriminelle nut-
zen, um sich Waffen, Drogen oder Kinderpornos zu besorgen. Nur wer die richtige Software verwendet und genau weiß, wo man suchen muss, findet sich dort zurecht. Gibt es neue Erkenntnisse
zum Ablauf der Tat? Ali David S. gab 57 Schüsse ab. Fünf Menschen erschoss er in der McDonald’s-Filiale. Zwei weitere Opfer fanden die Ermittler vor dem Schnell-Restaurant. Ein Mensch wurde vor einem Elektrogroßhandel tot aufgefunden. Das neunte Opfer tötete S. dann im Einkaufszentrum. Ein Detail am Rande: Der Vater des Amokläufers erkannte seinen Sohn auf dem Amateur-Video, das zeigt, wie er die McDonald’sFiliale verlässt. Der Vater ging daraufhin sofort zur Polizei.
War es Zufall, dass die Tat am fünften Jahrestag des Massakers von Utøya stattfand? Sicher nicht. S. hat nach Angaben von Robert Heimberger, dem Präsidenten des LKA Bayern, ein schriftliches „Manifest“hinterlassen, über dessen Inhalt bisher nichts verlautete. Die Existenz eines solchen „Manifests“deutet darauf hin, dass sich Ali David S. Anders Breivik zum Vorbild nahm, der 2011 in Oslo und auf Utøya 77 Menschen ermordet hatte. Denn auch Breivik verfasste ein schriftliches „Manifest“. Außer an Breivik hat sich S. auch an Tim Kretschmer, dem Amokläufer von Winnenden im Jahr 2009, orientiert: In Vorbereitung seiner Tat ist Ali David S. sogar in das baden-württembergische Städtchen gereist und hat dort Fotos gemacht und sich umgeschaut. Ist die Tat mit einer psychischen Erkrankung zu erklären?
Ja. 2015 befand sich Ali David S. zwei Monate lang in stationärer psychiatrischer Behandlung im Klinikum Harlaching
und bis zuletzt in ambulanter Therapie. Er litt unter Depressionen, unter einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung und unter sozialer Phobie. Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Ermittler Behandlungsunterlagen zu einer psychischen Erkrankung und Medikamente. Außerdem ein Sachbuch mit dem Titel „Amok im Kopf “.
Stimmt es, dass Ali David S. Gewalt verherrlichende Computerspiele gespielt hat? Ja. Nach Angaben der Ermittler hat sich der Täter intensiv mit Videospielen wie „Counterstrike“beschäftigt. Gleichaltrige, die mit ihm gemeinsam spielten, berichten, dass sich S. im Netz Namen wie „Psycho“, „Hass“oder „Amok“gab. Marco, der ebenfalls der CounterstrikeClique angehörte, erzählt, dass Ali anfangs ein netter Kerl gewesen sei, dann aber zunehmend komisch wurde. Ali, der ja selbst iranische Wurzeln hat, fiel durch fremdenfeindliche Äußerungen auf. Vor allem über Türken schimpfte er. Einmal postete Ali Botschaften wie „Tim K. ist unvergessen.“Als einer fragte, wer denn Tim K. sei, erklärte Ali, er meine Tim Kretschmer, den Amokläufer von Winnenden. Der sei eigentlich „ein guter Mensch“gewesen. In welchen Verhältnissen ist
Ali David S. aufgewachsen? Er ist in München geboren. Seine Eltern sind iranischer Herkunft. Sie kamen in den 90er Jahren in die Bundesrepublik. Der Vater ist selbstständiger Taxifahrer, die Mutter soll als Verkäuferin bei Karstadt gearbeitet haben. Ali David S. hat einen kleineren und einen größeren Bruder. Es heißt, Ali David S. sei gemobbt worden. Stimmt das? Jeder kennt das Amateurvideo, auf dem zu sehen ist, wie ein Anwohner den Amokläufer als „Wichser“beschimpft. Darin hört man S. rufen:
Amokläufer besuchte in Winnenden den Tatort von 2009. Keine Mitschüler des Attentäters unter den Opfern
„Wegen Leuten wie euch wurde ich gemobbt. Sieben Jahre lang.“Wen er mit „Leute wie euch“meinte, ist unklar. Nach Angaben der Polizei hatte Ali David S. Probleme an der Hauptschule, die er besuchte. In der Vergangenheit wurde er einmal von Gleichaltrigen bestohlen, ein anderes Mal verprügelt. Bis zum Amoklauf war er nur als Opfer, nie als Täter polizeilich aufgefallen.
Sind denn auch Mitschüler des Amokläufers unter den Opfern? Nein. Die Polizei sagt außerdem, er habe sich nicht gezielt Ausländer als Opfer ausgesucht.
Was sagen Nachbarn über S., wie haben sie den jungen Mann
erlebt? S. wohnte zusammen mit seiner Familie in einem gepflegten Neubaukomplex im Münchner Bezirk Maxvorstadt. Als „unauffällig und ruhig“wird er von Nachbarn beschrieben, ein „guter Mensch“sei er gewesen.
Eine Nachbarin sagte diesen Satz: „Er hat gelacht wie ein normaler Mensch.“