Hamburger Morgenpost

BKA-Chef warnt vor dem „Darknet“

Wie Kriminelle das anonyme Netz nutzen – und was die Polizei dagegen macht

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Sich im „Darknet“eine Waffe zu besorgen – ein Kinderspie­l. Zuletzt hatte ein MOPO-Reporter kaum zehn Minuten gebraucht, um im „Parallel-Universum des Internets“Anbieter von Schusswaff­en zu finden. Jetzt warnt auch das BKA vor dem „Netz der Finsternis“. „Sehr, sehr viele Kriminelle“würden dort agieren.

Das „Darknet“ist in aller Munde, seit bekannt wurde, dass sich Ali David S., der Amokläufer von München, dort seine Tatwaffe besorgte. Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC) warnt davor, diesen schwer zu überwachen­den Bereich des Word-Wide-Web zu verteufeln. Er erinnert daran, dass das „Darknet“zum Schutz von Dissidente­n geschaffen wurde, die darauf angewiesen sind, anonym zu veröffentl­ichen und sich anonym zu informiere­n. Für viele Menschen in der Türkei, im Iran oder in Syrien sei das „Darknet“wichtig.

Außerdem sagt Neumann, dass er das Bedrohungs­szenario der Behörden für überzogen hält: Mehrere Monate habe der Amokläufer von München gebraucht, um im „Darknet“eine Waffe zu bekommen – in der realen Welt, so Neumann, wäre ihm dies sehr viel schneller gelungen.

In seinem Lagebild „Cybercrime 2015“weist das BKA allerdings darauf hin, dass die Kriminalit­ät im Internet wächst – vor allem dank des „Darknet“. Dort gebe es Plattforme­n, die vergleichb­ar seien mit Amazon – nur dass nicht Bücher oder Elektronik gehandelt würden, sondern Pistolen und Heroin. Außerdem gibt es Falschgeld, gefälschte Pässe und nachgemach­te Markenarti­kel zu kaufen– alles, was das Kriminelle­n-Herz begehrt.

Das „Darknet“ist schwer zu überwachen, weil Daten über mehrere Knoten im Netz weitergele­itet werden und ihr Ursprung nur schwer nachzuvoll­ziehen ist. Kriminelle können sich dort also relativ unerkannt bewegen. Manchmal werden sie allerdings doch erwischt: Laut BKA gibt es derzeit 80 Verfahren wegen Waffenund Sprengstof­fhandels gegen „Darknet“-Kriminelle. Von 85 Verdächtig­en ist die Rede.

Das BKA ist seit Ende 2013 im „Darknet“engagiert. Münch räumte ein, dass dieser anonyme Bereich zwar wichtig sei, „um verfolgten Menschen die Möglichkei­t der Meinungsäu­ßerung zu geben“. Doch das „Darknet“werde auch von „sehr, sehr vielen Kriminelle­n genutzt“. Deshalb sei es wichtig, dass die Strafverfo­lgungsbehö­rden mit der Entwicklun­g Schritt hielten.

Oliver Malchow, Bundesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), fordert, dass die Sicherheit­sbehörden möglichst viele zusätzlich­e gut ausgebilde­te IT-Experten einstellen. Damit dies gelingt, müssten die Arbeitsbed­ingungen und die Bezahlung allerdings deutlich verbessert werden. Bisher würden gute Leute nämlich regelmäßig in die Privatwirt­schaft abwandern.

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Am Mittwoch in der MOPO: Reportage über den „Ausflug ins Netz der Finsternis“.

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