„Hansaplatz? Dagucken manche komisch!“
Der neue Chef des Bucerius-Kunst-Forums über St. Georg und seine Kritik an der Luxus-Kunst
Franz Wilhelm Kaiser wurde 1957 in Boppard am Rhein geboren. Er studierte in Kassel Kunst auf Lehramt, wandte sich aber bald der Museumsarbeit zu. Nach einem Volontariat in Eindhoven folgten Stationen in Paris, Lyon und Grenoble. Am bedeutenden Gemeentemuseum in Den Haag war er von 1989 bis 2016 27 Jahre lang Ausstellungsdirektor, bis er jetzt als Direktor ans Bucerius-Kunst-Forum wechselte. Er ist verheiratet mit der Schriftstellerin Marie-Noël Rio.
Er hat an einigen der namhaftesten Museen Europas gearbeitet – nun ist Franz Wilhelm Kaiser seit einigen Wochen der neue Direktor des Bucerius-Kunst-Forums. Die MOPO traf den 58-Jährigen in seiner neuen Wahlheimat St. Georg im Café „Gnosa“.
MOPO: St. Georg stand für Sie als Wohngegend von vornherein fest? Franz
Wilhelm Kaiser: Ja, aus verschiedenen Gründen. Ich kannte das Viertel schon, habe oft hier im Hotel Wedina übernachtet. Dann ist meine Frau Pariserin und braucht ein Viertel, wo sie mal rausgehen und einen Kaffee trinken kann. Und der dritte Grund ist: Mein Freund Anton Corbijn, der in Hamburg „A Most Wanted Man“gedreht hat, sagte auch: St. Georg muss es sein! Nun wohnen Sie am Hansaplatz, einer ehemaligen Drogengegend, die jetzt gentrifiziert wurde. Es ist ein lebendiges Viertel, das sich stark verändert. Es gibt manche, die komisch gucken, wenn ich sage, wo ich wohne. Aber meine Frau und ich sind es gewohnt, in einer Stadt ein gemischtes Publikum zu treffen.
Das Bucerius ist nach Eindhoven, Paris, Lyon, Grenoble und Den Haag Ihre erste Festanstellung in Deutschland. War Ihre Karriere so geplant?
Nein, das war alles mehr oder weniger ad hoc. Ich habe in Kassel ja auch auf Lehramt studiert, aber schnell gemerkt, dass die Schule nicht mein Fall ist. Obwohl mir das Erzieherische, Didaktische sehr liegt. Das ist ein wesentlicher Bestandteil meiner Ausstellungskonzepte.
Wie kam es dazu?
1982 arbeitete ich als Student Franz Wilhelm Kaiser (l.) im Gespräch mit MOPO-Reporter Till Stoppenhagen
bei der Documenta in Kassel und lernte den damaligen Kurator Rudi Fuchs kennen. Er zeigte mir, dass man ein Kunstwerk so präsentieren muss, dass der Betrachter sich Fragen stellt: Was macht das Kunstwerk mit mir? Was brauche ich als ergänzende Information, um damit etwas anfangen zu können?
Fuchs hat Sie auch Haag geholt, wo Sie lang blieben. nach Den 27 Jahre
Ende der 80er Jahre wurde Fuchs Direktor am Gemeentemuseum, einem der größten Kunstmuseen der Niederlande, das aber ziemlich heruntergewirtschaftet war. Er brauchte jemanden, der Ausstellungen machen konnte. Ich habe mich dann auch mit um die Finanzen und die Sanierung des Gebäudes gekümmert. 1998 war das Haus auf Vordermann, die Besucherzahlen gingen nach oben. Und ich hatte mir meine eigene Position als Ausstellungsdirektor geschaffen.
Und wie ist das jetzt in Hamburg?
Die Stelle ist mir auf den Leib geschnitten. In einem Museum ist das Programm stark von der eigenen Sammlung bestimmt. Das Kunst-Forum ist jedoch ein Ausstellungsbetrieb ohne Sammlung, und als Museumsdirektor bin ich automatisch Ausstellungsdirektor.
Ihre erste Ausstellung soll sich mit dem Kunsthandel befassen.
Seit den 80ern gibt es den Trend, weniger auf den Inhalt als auf den Preis eines Kunstwerks zu schauen. Und ich beobachte eine immer stärkere Grenzverwischung zwischen Kunst und Luxusindustrie. Louis Vuitton zum Beispiel lädt Künstler ein, Dinge zu entwerfen, die dann als Luxusgüter vertrieben werden. Aber wenn man aus der Kunst den Inhalt wegkürzt, wird sie zu Luxus oder Design. Zum Beispiel diese Edelstahl-AufblasPuppen von Jeff Koons. Glänzt sehr, ist luxuriös und kostet viel Geld, aber inhaltlich: Was ist das? Das hat nicht viel zu sagen. Das Interview führte TILL STOPPENHAGEN