So steuert die eu ins chaos
Was passiert, wenn der FlüchtlingsDeal platzt? In der Hand des Despoten: Wenn Erdogan die Grenzen öffnet, droht Griechenland eine Katastrophe. Auch weil Europa nichts macht.
Brüssel – Ultimatum!? Erpressung!? Seit der Drohung aus Ankara in der Visum-Frage ist der Ton zwischen der Türkei und der EU scharf. Im Raum steht die Ankündigung, den Flüchtlings-Deal im Oktober platzen zu lassen, wenn es bis dahin keine VisumBefreiung gibt. Was dann? Öffnet die Türkei wieder ihre Grenzen? Beginnt der Flüchtlingsstrom über die Balkan-Route von vorn?
Die EU wirkt schlecht vorbereitet auf die neue Lage. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wiegelt ab. Forderungen nach einem Plan B der EU für den Fall eines Scheiterns des Flüchtlingspakts lehnte er laut „Rheinischer Post“ab. Steinmeier: „Wir sollten uns an das halten, was vereinbart worden ist.“
Ganz anders Ansgar Heveling (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses: „Sollte der Pakt platzen, ist nicht auszuschließen, dass wieder mehr Menschen auf Booten nach Europa kommen. Dann muss die EU die Grenzen zusätzlich sichern und Griechenland weitere Mittel und Personal bereitstellen, um Asylverfahren rechtmäßig durchzuführen.“
Elmar Brok (CDU), Chef des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, warnt: „Die Türkei tut viel
zur Kontrolle der Grenze nach Griechenland. Fiele das weg, hätten wir in Griechenland
schnell ein riesiges humanitäres Problem.“Wie wahrscheinlich ist ein
Platzen des Abkommens? Der Nahostexperte Udo Steinbach rechnet jedenfalls damit. „Erdogan ist seinen Weg gegangen zu einer autoritären und autokratischen Regierungsform.“Präsident Erdogan wolle sich für frühere Kränkungen rächen. Er nehme kaum noch Rücksicht auf Europa und sei auch nicht mehr daran interessiert, dass die Türkei in die EU aufgenommen werde. Wie viele Flüchtlinge sitzen
in der Türkei fest? Es sind deutlich über drei Millionen. Allein ca. 2,8 Millionen Menschen kommen aus Syrien
sowie rund 500 000 aus dem Irak. Und in Griechenland? Derzeit sitzen dort rund 60 000 Flüchtlinge fest, davon fast 10 000 auf den Inseln. Laut Regierungsangaben halten sich nur 22500 Flüchtlinge im Norden des Landes auf. Welche Rolle spielt Griechenland? Vor Abschluss des Flüchtlingsdeals mit der Türkei waren große Auffanglager in Griechenland vorgesehen. Es gab eine Zusage der EU für 700 Millionen Euro Hilfsgelder und Tausende Hilfskräfte. Jetzt kooperieren die Griechen und Türken bei der Rücknahme. Allerdings nehme die Türkei zurzeit keine Flüchtlinge mehr zurück.
Nach dem Putsch seien seit dem 21. Juli alle türkischen Beamten aus Griechenland abgezogen worden, sagte ein Offizier der griechischen Küstenwache. Was ist aus den Zusagen geworden? Es mangelt massiv an Personal in Griechenland, wie aus dem jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission von Mitte Juli hervorgeht. Laut „Bild“sind erst 2 von 60 angeforderten Rücküberführungsexperten, 92 von 475 zugesagten AsylExperten und 61 von 400 versprochenen Dolmetschern geschickt worden. Von 30 Juristen, die zugesagt wurden, sei noch kein einziger im Land angekommen. Die Folge sei, dass die Asylverfahren zögerlich abgeschlossen würden und nur wenige Flüchtlinge das Land verlassen konnten. Laut Frontex sind zurzeit 632 (von 1500 zugesagten) Beamte im Einsatz. Wie sieht es mit der deutschen Hilfe aus? Nach Angaben des Innenministeriums sind derzeit nur 23 von 100 zugesagten Bundespolizisten vor Ort sowie 14 von 100 angebotenen Asylexperten aus dem Bundesamt
für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Ein Sprecher betonte allerdings, die Erfüllung der Zusagen scheitere nicht an der deutschen Bereitschaft, sondern an fehlenden Abrufen seitens der zuständigen EU-Institutionen.
Was sagt die EU dazu? Griechenland erhält nach Einschätzung der EU-Kommission ausreichend Hilfe aus anderen EU-Staaten. Die aktuelle Kräftezuweisung entspreche dem aktuellen Bedarf, so ein Sprecher. Man könne jederzeit flexibel reagieren.
Die Türkei hat alle Beamten abgezogen.