Razzia in Hamburgs nobelstem Bordell
„Willkommen im Reich der Sinne.“So werden die Gäste in Hamburgs exklusivstem Bordell empfangen. Doch die Besucher, die jetzt gegen Mitternacht Einlass im „Relax“an der Adenauerallee (St. Georg) begehrten, waren weder willkommen, noch hatten sie Interesse an sinnlichen Erlebnissen. Fast 100 Steuerfahnder und Polizisten haben das Edelbordell auseinandergenommen.
Steueroberamtsrat – was für ein schöner deutscher Dienstgrad. Den trägt der „Fahnder mit dem Hut“, ein altgedienter Haudegen der Hamburger Steuerfahndung. Zuletzt hatte er im Winter vergangenen und Frühjahr dieses Jahres als Chef einer Sondereinheit für Rotlichtbetriebe auf dem Kiez für Unsicherheit gesorgt. Fast wöchentlich kam es in Bordellen und Lokalen zu Razzien (MOPO berichtete).
Jetzt schlug die Truppe erstmals in St. Georg zu. Die Beamten sammelten sich am Berliner Tor. Unauffällige Autos wurden mit dem Logo „Steuerfahndung“versehen, dann ging es los. Im Bordell war man zwar genervt, doch das Personal blieb höflich. Chefin Heike L. zeigte sich kooperativ. Ex-Boss Heinrich Lothar Burggraf und Graf zu Dohna Schlobitten will mit allem nichts mehr zu tun haben.
Gegenüber der MOPO behauptete er, im Bordell nur noch als Fahrer zu arbeiten. „Für 1297 Euro netto im Monat“, wie der Spross aus einem 900 Jahre alten sächsischen Adelsgeschlecht Anfang des Jahres vor Gericht angab. Im Mai wurde der ehemalige Puff-Boss zu 18 Monaten Haft verurteilt – wegen Steuerhinterziehung. Es ging um 200000 Euro Umsatzsteuer. „Seine Erlaucht“vor Gericht zerknirscht: „Ich wusste, dass es im System der Steuerabrechnungen Schieflagen gab.“
Im „Relax“hatten diese Schieflagen offenbar System. Schon 2010 standen die drei damaligen Besitzer vor Gericht, weil sie innerhalb von nur sechs Jahren neun Millionen Euro Steuern hinterzogen hatten. Sie wurden verknackt, mussten Millionen zurückzahlen. Ihre Masche: eine Art „doppelte Buchführung“. Im „Relax“gab es ein extra konstruiertes Lesegerät für EC-Karten. Darüber gingen Millionen am deutschen Fiskus vorbei – und über einen Finanzdienstleister in die Schweiz.
Und worum ging es diesmal? Unklar, die Behörden schweigen. Das Geschäft soll in den vergangenen Monaten im „Relax“aber ganz ausgezeichnet gelaufen sein. Vor allem während der vor Kurzem zu Ende gegangenen maritimen Messe „SMM“soll es Geschäftskunden gegeben haben, die mit einer ganzen Gruppe Damen und etlichen Magnum-Flaschen Champagner ihren Spaß hatten. Mehr als 20 000 Euro stehen an so einem Abend schnell auf der Rechnung. Wer es diskret mag, kann das Bordell übrigens über einen Geheimgang betreten. Eine Möglichkeit, die so mancher Promi gern nutzt.
„Sie treffen täglich bis zu 40 bildhübsche Damen an unserer Bar. Sie sind zwischen 21 und 40 Jahre alt und versprechen exzellenten Service“– so wirbt das Bordell. Die Preise beginnen bei etwa 300 Euro die Stunde. Die Damen sind „selbstständige Unterhaltungsdamen“, sie zahlen eine Art Miete im „Relax“und müssen ihre Einnahmen individuell versteuern – das sollen aber die wenigsten in voller Höhe tun. Doch um die Einnahmen der Damen ging es wohl bei der Razzia nicht, eher um größere Getränkeumsätze, die möglicherweise am Fiskus vorbeigelenkt wurden.
Solvente Gäste geben hier an einem Abend gern mal 20 000 Euro aus.