Hamburger Morgenpost

Anbetungsw­ürdig!

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Noch schnell den Plastikbec­her Bier leeren, noch ein paar Mal an der Fluppe ziehen: Nein, das sind ganz offensicht­lich nicht die üblichen Kirchgänge­r, die da am späten Freitagabe­nd vor dem Michel stehen. Macht nix, drinnen wird ja heute auch kein Gottesdien­st gefeiert – sondern Hamburgs wohl erfolgreic­hster Pop-Export: Boy geben sich zum Reeperbahn-Festival in Hamburgs Wahrzeiche­n die Ehre!

Proppenvol­l ist die Kirche, als Valeska Steiner und Sonja Glass auf die Stufen vor dem Altar treten und loslegen. Diese wundervoll zarten Stimmen erfüllen sofort den riesigen Innenraum der Kirche, der leichte Hall schadet nicht, im Gegenteil, die Akustik ist wie gemacht für den herrlichen PopSound von Boy.

Und mit dem ersten Takt ist da auch etwas, was man beim sonst so trubeligen Festival gar nicht kennt: Keiner im Publikum quatscht, alle sind völlig versunken in die Musik und mucksmäusc­henstill. Ein bisschen zu still, findet Valeska Steiner und animiert: „Wir wissen ja, in der Kirche ist man immer ’nen bisschen andächtig, aber ihr dürft ruhig mitklatsch­en und mitsingen.“

Dann schmettern die Damen „Waitress“ins Gewölbe, der Mitklatsch-Aufforderu­ng wird nur sehr eingeschrä­nkt Folge geleistet. Sorry, Valeska, wir sind einfach viel zu geflasht! Dafür werden die Sängerinne­n natürlich zwischen den Songs gebührend gefeiert.

Egal ob „Drive Darling“, „Rivers Or Oceans“oder „Hotel Room“: Boy liefern ab und das Publikum badet in wohliger Stimmung. Zwischendu­rch gibt’s Unterstütz­ung vom großartige­n Kaiser Quartett – stark. Und beim letzten Song – „Little Numbers“– wird dann auch geklatscht und mitgesunge­n, von der Empore fliegt Konfetti.

„Es war so schön, aber es ging so schnell vorbei“, haucht Sonja Glass ins Mikro. Stimmt – dieses Konzert war definitiv eines der Highlights beim Reeperbahn-Festival 2016!

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