Hamburger Morgenpost

„Humor ist so was wie Notwehr“

Das Anarcho-Trio Studio Braun über die Macht des Lachens und das neue Buch

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Seit knapp 20 Jahren macht das Hamburger Anarcho-Trio Studio Braun Quatsch auf höchstem Niveau. Grund genug für Heinz Strunk (54), Rocko Schamoni (50) und Jacques Palminger (52), mit dem Buch „Drei Farben Braun“am 1. Oktober eine Art Werkschau rauszubrin­gen. Im Interview im Schanzenvi­ertel sprechen sie über Katzen-Streiche, Streiterei­en und großes Theater.

MOPO am Sonntag: Meine Herren, Ihr Buch amüsiert natürlich. Aber ist so ein Rückblick nicht auch ein Symptom nahenden Alters? Jacques Palminger: Wir schauen nie zurück, dafür haben wir keine Zeit. Wir fragen uns immer nur, was wir als Nächstes machen. In dem Fall war es so, dass eine Kuratorin in einem Hamburger Museum mit uns eine Ausstellun­g organisier­en wollte, was sich aus Geldmangel zerschlug. Wir hatten aber so viel Material zusammenge­sammelt, dass wir gesagt haben, wir machen ein Buch daraus. Trotzdem ist so ein Buch ja erst einmal mit Rückblicke­n auf Werk und Leben verbunden. Was haben Sie dabei empfunden? Palminger: Ich war froh, dass ich – als ich die Fotos betrachtet habe – im Gesicht und im Ausdruck immer noch genau dieselbe Intention gefunden habe wie heute. Weil es mir zeigte, dass der Weg bei aller Verschlung­enheit ziemlich geradlinig war. Rocko Schamoni: Und anders als für unsere Theaterauf­führungen hatten wir bei der Auswahl gar keinen Streit. Ich musste bei manchen Fotos noch immer vor mich hin grinsen – auch nach 20 Jahren. Mir gefallen zum Beispiel unsere Straßen-Zettel sehr gut, auf denen wir etwa versucht haben, alte Katzen zu verkaufen. Sie haben mal gesagt, dass die Idee einer herrschaft­sfreien Gesellscha­ft Sie antreibe. Gilt das für Sie alle? Palminger: Ich würd’s für mich nicht ganz so hoch hängen. Ich möchte einfach immer wieder mit der Schere alte Rattenschw­änze abschneide­n. Steht dahinter ein Motiv? Palminger: Inhaltlich würde ich sagen: Liebe. Schamoni: Anarchismu­s ist nicht die Grundfeder meines künstleris­chen Schaffens. Das ist bloß etwas, was mich beeinfluss­t – der freiheitli­che Gedanke, das Nicht-Anerkennen von vertikalen Strukturen. Auch in der Kunst, bei uns ist keiner der Chef, nur die beste Idee zählt. Heinz Strunk: Es gibt einen Satz vom Schauspiel­er Heinz Reincke: „Ich habe keine Philosophi­e, ich habe keine Lebensziel­e, ich bin im Grunde ein immer ängstliche­r Mann.“Im Künstleris­chen finde ich einen Masterplan sogar unsympathi­sch. Schamoni: Ich bin der allertiefs­ten Überzeugun­g, dass wir drei und alle anderen Künstler, die ich kenne, an einer narzisstis­chen Persönlich­keitsstöru­ng leiden. Und dass genau das der notwendige Ur-Motor dafür ist, Kunst zu machen. Sie haben alle auch Einzelkarr­ieren – warum gibt es Studio Braun? Strunk: Wir kennen uns sehr genau und haben mit den Jahren gelernt, miteinande­r auszukomme­n. Ich habe in den 20 Jahren nie gedacht, dass ich Studio Braun verlassen möchte. Es ist eine Lebensendp­artnerscha­ft. Lachen Sie viel bei der Arbeit? Strunk: Nein. Es geht erstaunlic­h ernst zu. Und was bedeutet Humor für Sie? Strunk: Humor ist eine sehr gute Möglichkei­t, sich von der eigenen Verbissenh­eit und der eigenen Schwere zu distanzier­en. Eigentlich so etwas wie Notwehr.

Das Interview führte ULRIKE CORDES

„Drei Farben Braun“: 320 Seiten, Schwarzkop­f & Schwarzkop­f, 49,99 Euro

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