GSG 9 soll Anti-Terror-Einsätze übernehmen
GroKo-Politiker: Konsequenzen aus Fahndungspannen ziehen „Versäumnisse wie in Sachsen dürfen sich nicht wiederholen“
Berlin – Sachsens Sicherheitsbehörden haben sich bei der Fahndung nach dem Terroristen Dschaber al-Bakr (22) heftigst blamiert. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, sollen in solchen Fällen jetzt Spezialisten einspringen: Mehrere Politiker der Großen Koalition wollen, dass künftig nur noch die Bundespolizei-Elitetruppe GSG 9 derartige Einsätze übernimmt, schreibt der „Spiegel“.
„Versäumnisse, wie sie in Sachsen zutage traten, sind lebensgefährlich und dürfen sich nicht wiederholen“, sagt Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. GroKo-Kollege Armin Schuster, Innenexperte der CDU, stimmt ihm zu. Die Bundesanwaltschaft müsse „früher Flagge zeigen als bisher“. Damit wären im Regelfall das Bundeskriminalamt und die GSG 9 eingeschaltet. „Man hätte hier klotzen müssen, nicht kleckern“, so Schuster.
Dabei ist die Pannenliste der sächsischen Fahnder sogar noch länger als bisher bekannt.
Schon im Sommer hatte der Terrorist Al-Bakr in einem Apartment-Hotelzimmer in Leipzig, das er für einige Tage gemietet hatte, mit Sprengstoff hantiert. Als er nach zehn Tagen verschwand, so der „Spiegel“, hinterließ er verwüstete Räumlichkeiten: die Wände über der Küchenzeile rußgeschwärzt, Spülbecken durch Säureschäden zerstört. Der geschädigte Hotelbesitzer („Es sah aus, als wäre die halbe Küche explodiert“) informierte die Polizei. Die kam, schaute sich den Tatort an – und fand nichts Besonderes heraus. Dass hier möglicherweise jemand aus verschiedenen Chemikalien Sprengstoff zusammenmixte – auf die Idee kamen die Beamten nicht.
Dabei hatte sich der Terrorist, der gerade von einem längeren Aufenthalt in Syrien zurückgekehrt war, nicht mal unter einem Tarnnamen in dem Hotel registriert. Dennoch ergibt ein Abgleich mit polizeilichen Daten keinen Treffer. Möglicherweise weil Al-Bakr beim Eintragen in das Hotelregister Vor- und Nachnamen vertauscht habe, so die dürftige Erklärung.
Nach Erkenntnissen der Fahnder hatte Al-Bakr einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant. Der erste Versuch einer Festnahme am 8. Oktober in Chemnitz scheiterte, weil die Polizisten mit ihrer schweren Schutzausrüstung ihm nicht schnell genug folgen konnten. Erst einen Tag später kam er in Polizeigewahrsam, weil mehrere Syrer, bei denen Al-Bakr Unterschlupf gesucht hatte, ihn fesselten und der Polizei übergaben.
Am 12. Oktober wurde Al-Bakr erhängt in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Leipzig gefunden. Die Behörden gehen von Selbstmord aus. AlBakrs Familie sieht das anders. Sie will gegen die sächsische Justiz Anzeige wegen fahrlässiger Tötung erstatten. Alaa al-Bakr, Bruder des Toten, der in der Nähe der syrischen Hauptstadt Damaskus lebt: „Ich bin mir wirklich sicher, dass die Polizei ihn umgebracht hat.“
Sachsens SPD-Chef und Vize-Ministerpräsident Martin Dulig hat seine Kritik an der Führungskultur in seinem Bundesland bekräftigt. „In Sachsen wird nicht mehr falsch gemacht als anderswo, aber der Umgang mit Fehlern ist beispiellos schlecht“, sagte Dulig gestern beim Landesparteitag in Chemnitz.
Er verlangte Veränderungen in den Führungsstrukturen in Behörden und Verwaltungen.