„Als Action-Heldbin ich ein blutiger Anfänger“
Der Schauspieler über den anstrengenden Dreh zu „Doctor Strange“,seine Lieblings-Comics als Kind und die Gerüchte, er werde der neue James Bond
London, ein vornehmes Luxushotel direkt an der Themse, davor dunkle Limousinen und Fans. Benedict Cumberbatch (40) schlendert lässig-locker durchs Hotel, in Pulli und Jeans, mit einer leichten Bräune im Gesicht. Es geht ihm glänzend. Seit Kurzem freut sich der Brite mit seiner Frau Sophie auf ein zweites Baby. Der Ausnahmeschauspieler scheint noch im Action-Modus „Doctor Strange“zu sein, dem neuen, jetzt im Kino angelaufenen MarvelAbenteuer: Er redet so rasend schnell, als schleudere er seinem Gegenüber Geistesblitze aus den hellblauen Augen entgegen.
MOPO: Benedict, als Doctor Strange sind Sie, wie schon als Sherlock, herrlich arrogant. Können Sie das auch privat von sich sagen? Benedict Cumberbatch:
Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen! (lacht) Stimmt, auch einige meiner anderen Filmfiguren sind, wie Sherlock, arrogante Typen. Sonst haben Strange und ich nur eins gemeinsam: Wir beide sind blutige Anfänger. Doctor Strange versucht sich als Superheld, ich mich als Actionschauspieler. Zumindest hatte ich es noch nie mit so viel Kampfszenen zu tun. Aber sonst ist Stephen Strange hochintelligent, versnobt, hat einen ausgeprägten sexuellen Appetit und ist aufgrund seiner Obsessionen ein einsamer Kerl.
Sie dagegen sind ...
...ein sehr glücklicher Mann, der verheiratet ist und eine Familie hat. Er hat kein echtes soziales Umfeld, während ich mit meinem Privatleben nicht glücklicher sein könnte.
Hatten Comics es Ihnen auch so angetan, als Sie ein kleiner Junge waren?
Als Junge habe ich in den Ferien oft Comics gelesen, „Asterix und Obelix“und „Tim und Struppi“, die Marvel-Hefte las ich erst später in der Schule. Die erste Verfilmung, die mich umhaute, war Tim Burtons „Batman“– von dem war ich besessen. Davon hatte ich sogar ein T-Shirt, und den Prince-Soundtrack konnte ich mitsingen. Die Zeilen von Jack Nicholson, Michael Keaton und Kim Basinger konnte ich sogar mitsprechen. Ab dann war ich Marvel-Fan.
Waren Sie, der Charakterschauspieler und Shakespeare-Fan, sicher, dass Sie den Action-Helden überzeugend geben können?
Nein, dann hätte ich mich ja doch als arrogant entpuppt!
(lacht) Ich musste hier vieles ganz neu lernen, weil ich noch nie so viele Action-Anteile in meiner Rolle absolvieren musste. Aber: Es hat extrem viel Spaß gemacht! Ich hatte keine Ahnung, wie viel Arbeit Action macht.
Sie waren überrascht, wie viel Zeit und Aufwand in einem Actionfilm stecken?
Oh ja! Bei meiner Figur gab’s auch keine Maske und keinen Anzug, in denen ich mich verstecken konnte. Das erforderte eine große Genauigkeit bei den Bewegungsabläufen, und die Kamera wollte möglichst oft mein Gesicht. Ich musste daher heftiger ran als geplant. Aber dafür hatte ich letztendlich meine Muskeln antrainiert – und nicht um fit zu wirken. Ich wollte gewappnet sein. Daher habe ich Yoga, Kampf und Kung Fu trainiert.
Der Dreh wurde extra Ihretwegen verschoben: Weil man Sie unbedingt als Doctor Strange haben wollte, wartete man, bis Sie mit „Hamlet“auf der Bühne fertig waren.
Genau, das hatte es bei Marvel bis dahin wohl noch nicht gegeben, dass Dreh und Startdatum auf einen Schauspieler neu abgestimmt werden. Aber sie wollten mich unbedingt. Ich wollte das Theater nicht versetzen, ich war die Verpflichtung lange vorher eingegangen.
Was würden Sie tun, wenn Sie nicht mehr spielen könnten? Würden Sie ein Leben ohne Arbeit als sinnlos empfinden?
Ich hoffe, dass ich dann genügend Talente habe, um meinen Lebensunterhalt anders zu verdienen. Ich kann gut malen und zeichnen und kenne mich auch als Sammler in der Kunstszene aus. Ich würde auch endlich ordentlich Klavier spielen lernen – dafür war bisher nie genug Zeit. Ich würde neue Sprachen lernen, herumreisen, vielleicht anfangen zu schreiben. Es gab ja leider Kollegen, die ihre Karriere nach einem Unfall oder durch eine Krankheit beenden mussten, wie Christopher Reeve oder Michael J. Fox.
Sie wurden zum Sexsymbol wider Willen. Was halten Sie von Ihren übermäßig enthusiastischen Fans, den „Cumberbitches“?
Auf den Namen reagiere ich etwas allergisch. Aber ich bin dankbar, wenn sich Menschen für meine Arbeit oder meine Ansichten interessieren. Sie sind immerhin Teil meines Erfolges. Und es sind ja nicht nur Frauen, ich habe auch männliche Fans. Manchmal nimmt es etwas alberne Formen an, doch meist begegne ich aufbauender, ehrlicher, intelligenter Resonanz.
Oft wirken Sie wie ein Bilderbuch-Bond – geschniegelt, selbstbewusst, etwas klischeehaft ...
So kommt sich Doctor Strange am Anfang auch vor. Das zeigt, wie hohl, materialistisch und egoistisch er noch ist, wenn auch mit etwas Humor und Charme. Später begreift er erst, dass es einem echten Helden nicht um sich selbst geht, sondern darum, anderen zu helfen.
Sie würden einen grandiosen „007“abgeben. Wenn Daniel Craig mal abtritt, sollen Sie als heißer Anwärter gehandelt werden, besagen HollywoodGerüchte ...
Das möchte ich nicht kommentieren. Es wurden schon einige Nachfolger gehandelt – fast jeder britische Schauspieler. Ich finde, Daniel Craig macht das ganz fabelhaft und sollte auch noch ein wenig dabei bleiben. Ich freue mich schon auf den nächsten Bond mit ihm.
Lüften Sie das Geheimnis, für wie viele weitere „Doctor Strange“-Filme Sie unterschrieben haben?
(lacht) Psst, ich bin jetzt bis an mein Lebensende dabei! Das Interview führte MARIAM SCHAGHAGHI
„Ich hatte keine Ahnung, wie viel Arbeit Action macht.“Benedict Cumberbatch