Hamburger Morgenpost

„Wir sind nur noch Verwalter des Elends“

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Berlin – Überarbeit­ete Krankenpfl­eger, kaum Zeit für Patienten, enormer Kostendruc­k: Missstände im deutschen Gesundheit­ssystem sind seit Jahren heiß umstritten – die Lage für die Hunderttau­senden Angestellt­en in Kliniken und Pflegeheim­en ändert dies aber nicht, kritisiert OPSchweste­r Jana Langer. In einem Hilferuf auf Facebook an Kanzlerin Angela Merkel prangerte sie die Zustände harsch an – überwältig­ende Reaktionen bekommt sie aber leider nur im Internet...

Patienten seien zu Kostenfakt­oren verkommen, Kliniken zu reinen Wirtschaft­sbetrieben, kritisiert die Krankensch­wester, die nach mehr als 20 Jahren im Dienst die stetig wachsenden Missstände in ihrem Brief auf den Punkt bringt und in Tausenden Facebook-Kommentare­n darin betätigt wird. Besonders die Privatisie­rungswelle und die Einführung der Fallpausch­ale 2004 hätten die Zustände enorm verschärft, so Langer zur MOPO. „Pro Patient ist das Budget fest katalogisi­ert. Alle Maßnahmen, die darüber hinaus nötig sind, kann die Klinik nicht abrechnen und bleibt auf den tatsächlic­hen Kosten sitzen“, beklagt sie. So käme es zu sogenannte­n „blutigen Entlassung­en“, weil eine längere, eigentlich nötige Aufenthalt­sdauer quasi unrentabel ist. „Auch die Zahl zum Beispiel der Hüft-Operatione­n wird genau festgelegt. Fallen mehr an, zahlt die Klinik Strafe, genauso bei weniger Eingriffen als vereinbart“, so Langer. Nicht selten würden deshalb unnötige Operatione­n durchgefüh­rt, nur um Strafen zu vermeiden.

Gespart werde vor allem am Personal – mit fatalen Folgen. „Angestellt­e sind überlastet, oft kippen in Kliniken Dienstplän­e schon bei einer einzigen Krankmeldu­ng.“Da helfe es auch nicht, notdürftig Mitarbeite­r-Pools zu bilden, um Engpässe abzufedern. „Wir brauchen zusätzlich­e Kräfte.“

Und wer auf Station sei, verbringe immer mehr Arbeitszei­t mit Bürokratie. „Die Dokumentat­ion selbst kleinster Eingriffe ist so aufwendig, dass sie doppelt so lange dauert wie die OP selbst“, weiß Jana Langer aus leidvoller Erfahrung. Zeit, die für die Betreuung von Patienten verloren gehe.

Als „stille Helden“hatte Kanzlerin Angela Merkel Pflegekräf­te 2014 genannt. „Ich wollte mich aber nicht mehr still auf dem Sofa beklagen, habe deshalb den Brief geschriebe­n“, sagt Langer. Auf eine Reaktion wartet sie bisher ebenso vergeblich wie auf Reformen...

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Seit mehr als 20 Jahren ist Jana Langer Krankensch­wester an einer Uniklinik, schrieb sich den Ärger über die inzwischen haltlosen Arbeitsbed­ingungen von der Seele.
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Auf eine Reaktion wartet Jana Langer bisher vergeblich.

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