Hamburger Morgenpost

Kann Europa sich selbst verteidige­n?

Verteidigu­ngsexperte sieht Deutschlan­d in einem Dilemma: Ohne NATO keine Sicherheit

- Von HARALD STUTTE

„Deutschlan­d allein ist nicht verteidigu­ngsbereit.“Verteidigu­ngsexperte Wiegold

Berlin – Gestern war der erste offizielle Arbeitstag des neuen US-Präsidente­n Trump. Und in Deutschlan­d wird schon über die direkten Folgen für unser Land nachgedach­t. In erster Linie betrifft das die Verteidigu­ngspolitik – und es droht richtig teuer zu werden ...

Die NATO sei „obsolet“und die NATO-Partner sollten sich mit höheren Verteidigu­ngsausgabe­n beteiligen – nur zwei Bemerkunge­n des neuen US-Präsidente­n Donald Trump, die in Berlin für große Aufregung sorgen.

Zumindest für die Notwendigk­eit der Erhöhung des Verteidigu­ngsetats gibt es breite Zustimmung, wie von

Ministerin Ursula von der Leyen und dem FinanzStaa­tssekretär Jens Spahn (beide CDU) jetzt zu hören war.

Die Fakten: Mit einem Etat von 34,3 Milliarden Euro (oder 1,2 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s BIP) gehört Deutschlan­d bei den Verteidigu­ngsausgabe­n zu den Winzlingen unter den Großen. Die USA geben 3,61 Prozent aus, die Briten 2,21 Prozent. Ganz nebenbei verstößt Berlin damit auch gegen NATO-Vorgaben. 2014 hatten sich alle Staaten des Bündnisses verpflicht­et, zwei Prozent des BIP für Verteidigu­ng auszugeben.

Noch bevor Trump Präsident wurde, hatte Berlin beschlosse­n, die Ausgaben bis 2020 auf 39,2 Milliarden Euro zu erhöhen. Um die ZweiProzen­t-Vorgabe zu erfüllen,

müssten es aber 60 Milliarden Euro sein ...

Deutschlan­d allein (ohne NATO) wäre allerdings „nicht verteidigu­ngsbereit“, so der Verteidigu­ngsexperte Thomas Wiegold zur MOPO. „Das ist das Resultat der Einsparung­en in den vergangene­n 25 Jahren“, sagt Wiegold, der den Blog „augengerad­eaus.net“betreibt.

Deutschlan­ds Problem „ist dabei nur in zweiter Linie finanziell­er Natur“, so Wiegold. „Schwerer wiegt, dass die Beschaffun­gsprozesse, sowohl das Personal als auch das Material betreffend, Jahre dauern ...“Und nennt ein Beispiel: „Mit einer Obergrenze von 225 Stück verfügt die Bundeswehr heute noch über ein Zehntel der Kampfpanze­r, die man zur Zeit des Kalten Krieges hatte. Vor zwei Jahren hatte Ministerin von der Leyen beschlosse­n, 100 zusätzlich­e Kampfpanze­r anzuschaff­en. Bis heute wartet die Bundeswehr darauf ...“

Ohne NATO? Auch das von Trump infrage gestellte Bündnis ist für Deutschlan­d von vitaler Bedeutung: Alle Strukturen, Kommandost­ränge, Führungsei­nrichtunge­n sind in der NATO etabliert. Und können durch die „Europäisch­e Sicherheit­sund Verteidigu­ngsunion (ESVU)“nicht ersetzt werden. Richtig ist aber auch: „Die NATO steht und fällt mit dem wichtigste­n Mitglied, den USA“, so Wiegold.

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Die Bundeswehr als Global Player: Ein im türkischen Stützpunkt Incirlik stationier­ter Torndado der Luftwaffe, Deutsche Soldaten in Afghanista­n (rechts)
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Erklärte die NATO für obsolet: Präsident Donald Trump

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