Weltklasse-Ensemble mit Seele
Mit den Wiener Philharmonikern war eines der derzeit besten Orchester zu Gast in Hamburg
Und dieser Saal kann doch warm klingen! Auf einmal schafft es die Akustik des Großen Saals der Elbphilharmonie, Emotionen zu wecken und zu berühren – was bei den bisherigen Konzerten nicht immer gelang. Das lag natürlich auch an den Wiener Philharmonikern, die am Sonntag als zweites Weltklasse-Ensemble auf dem Kaispeicher gastierten und mit Mahlers Erster begeisterten.
Es war eine grandios gebaute Klang-Architektur, die Dirigent Semyon Bychkov mit den Wienern aus dem Nichts entstehen ließ und mit immer dichteren Ranken überzog. Herrlich das schelmische Augenzwinkern in der „Jahrmarktsmusik“des dritten Satzes. Bezwingend die Grandezza und der Triumph im Finale: Großes Kino mit viel Seele!
Was dem hiesigen Publikum wieder einmal eindrucksvoll (und schmerzhaft) den Unterschied zu den heimischen Orchestern verdeutlichte – ein Unterschied wie zwischen Bundesliga und Champions League: Da saß jeder Einsatz, da harmonierten die verschiedenen InstrumentenReihen scheinbar blind, da trübte nicht der kleinste Misston das perfekte Spiel. So musste sich Dirigent Bychkov nicht wie HSV-Trainer Markus Gisdol um einzelne gelungene Spielzüge bemühen, sondern konnte souverän wie Bayern-Coach Carlo Ancelotti gestalten: Voller Strahlkraft ließ er seine Philharmoniker Mahlers symphonischen Erstling als großen Wurf präsentieren.
Obendrein hatten die Österreicher als Verbeugung vor dem neuem Klassiktempel an der Elbe ihr Programm mit Hamburg-Bezügen geschmückt: Vor Mahler (der sechs Jahre als Kapellmeister an der hiesigen Staatsoper tätig war) gab’s mit Brahms einen Sohn der Stadt. Dessen „Vier ernste Gesänge“hatte Detlev Glanert – auch er ein Hanseat – für Orchester bearbeitet. Damit offenbarte der Komponist, der sich seinen Schluss
applaus persönlich abholte, ordentliches Handwerk. Er setzte bei der Brahms-Bearbeitung auf warme, dunkle Farben und in seinen eigenen Vorspielen auf einen Mix vertrauter Klänge und Noten. Nicht sonderlich originell,
doch in sich stimmig, profund und dabei kraftvoll.
So wie auch der Gesang des Bassbaritons Johan Reuter. Warm ums Herz wurde es einem jedoch erst nach der Pause, als die Wiener Philharmoniker mit ihrer Mahler-Interpretation brillierten.