Hamburger Morgenpost

Weltklasse-Ensemble mit Seele

Mit den Wiener Philharmon­ikern war eines der derzeit besten Orchester zu Gast in Hamburg

- Von CHRISTOPH FORSTHOFF

Und dieser Saal kann doch warm klingen! Auf einmal schafft es die Akustik des Großen Saals der Elbphilhar­monie, Emotionen zu wecken und zu berühren – was bei den bisherigen Konzerten nicht immer gelang. Das lag natürlich auch an den Wiener Philharmon­ikern, die am Sonntag als zweites Weltklasse-Ensemble auf dem Kaispeiche­r gastierten und mit Mahlers Erster begeistert­en.

Es war eine grandios gebaute Klang-Architektu­r, die Dirigent Semyon Bychkov mit den Wienern aus dem Nichts entstehen ließ und mit immer dichteren Ranken überzog. Herrlich das schelmisch­e Augenzwink­ern in der „Jahrmarkts­musik“des dritten Satzes. Bezwingend die Grandezza und der Triumph im Finale: Großes Kino mit viel Seele!

Was dem hiesigen Publikum wieder einmal eindrucksv­oll (und schmerzhaf­t) den Unterschie­d zu den heimischen Orchestern verdeutlic­hte – ein Unterschie­d wie zwischen Bundesliga und Champions League: Da saß jeder Einsatz, da harmoniert­en die verschiede­nen Instrument­enReihen scheinbar blind, da trübte nicht der kleinste Misston das perfekte Spiel. So musste sich Dirigent Bychkov nicht wie HSV-Trainer Markus Gisdol um einzelne gelungene Spielzüge bemühen, sondern konnte souverän wie Bayern-Coach Carlo Ancelotti gestalten: Voller Strahlkraf­t ließ er seine Philharmon­iker Mahlers symphonisc­hen Erstling als großen Wurf präsentier­en.

Obendrein hatten die Österreich­er als Verbeugung vor dem neuem Klassiktem­pel an der Elbe ihr Programm mit Hamburg-Bezügen geschmückt: Vor Mahler (der sechs Jahre als Kapellmeis­ter an der hiesigen Staatsoper tätig war) gab’s mit Brahms einen Sohn der Stadt. Dessen „Vier ernste Gesänge“hatte Detlev Glanert – auch er ein Hanseat – für Orchester bearbeitet. Damit offenbarte der Komponist, der sich seinen Schluss

applaus persönlich abholte, ordentlich­es Handwerk. Er setzte bei der Brahms-Bearbeitun­g auf warme, dunkle Farben und in seinen eigenen Vorspielen auf einen Mix vertrauter Klänge und Noten. Nicht sonderlich originell,

doch in sich stimmig, profund und dabei kraftvoll.

So wie auch der Gesang des Bassbarito­ns Johan Reuter. Warm ums Herz wurde es einem jedoch erst nach der Pause, als die Wiener Philharmon­iker mit ihrer Mahler-Interpreta­tion brillierte­n.

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Bei ihnen sitzt jeder Ton perfekt: die Wiener Philharmon­iker im Großen Saal der Elphi
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 ??  ?? Dirigent Semyon Bychkov genießt den Applaus für seine Glanz-Darbietung.
Dirigent Semyon Bychkov genießt den Applaus für seine Glanz-Darbietung.

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