Hamburger Morgenpost

Genosse Hoffnung

Nach Gabriels Verzicht hat die SPD erstmals einen Kanzlerkan­didaten, der Merkel gefährlich werden kann

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Berlin – Alles auf Neu in der SPD: Partei-Chef Sigmar Gabriel verzichtet auf die Kanzlerkan­didatur! Zum SPD-Herausford­erer von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Bundestags­wahl wird der ehemalige EU-Parlaments­präsident Martin Schulz (61). Er soll auch SPD-Chef werden. Gabriel wiederum soll der Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier als Außenminis­ter werden. Das SPD-Präsidium hat Schulz gestern Abend einstimmig als Kanzlerkan­didaten und Nachfolger von Sigmar Gabriel an der Spitze der Partei nominiert. „Das ist unser Vorschlag für den Parteivors­tand“, sagte Gabriel nach der Präsidiums­sitzung.

Dem „Stern“hatte Gabriel in einem Interview erklärt: „Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern und mit mir die SPD.“Schulz habe „die eindeutig besseren Wahlchance­n“. Vor der Bundestags­fraktion der SPD hatte Gabriel am Dienstagna­chmittag seinen Schritt mit den Worten „Es ist meine Pflicht. Es geht um das Überleben der SPD“begründet. Der Applaus soll trotz der pathetisch­en Worte zurückhalt­end gewesen sein. Viele Abgeordnet­e fühlten sich überrumpel­t. Der 57-jährige Gabriel, der die SPD seit 2009 führt, hatte in Umfragen zur Kanzlerprä­ferenz immer schlechter abgeschnit­ten als sein „persönlich­er Freund“Martin Schulz. Auch Gabriels Erfolge als Wirtschaft­sminister – wie die Rettung von 15000 Arbeitsplä­tzen bei der Supermarkt-Kette Kaiser’s Tengelmann – änderten daran nichts.

„Um einen Wahlkampf wirklich erfolgreic­h zu führen, gibt es zwei Grundvorau­ssetzungen“, sagte Gabriel dem „Stern“: „Die Partei muss an den Kandidaten glauben und sich hinter ihm versammeln, und der Kandidat selbst muss es mit jeder Faser seines Herzens wollen. Beides trifft auf mich nicht in ausreichen­dem Maße zu.“

Gabriel und Schulz hatten

„Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern...“Sigmar Gabriel

sich am Samstag über die Neuausrich­tung der SPDSpitze verständig­t. Eigentlich wollte die SPD die Entscheidu­ng in der „K-Frage“erst am kommenden Sonntag nach einer Klausurtag­ung verkünden. Jetzt preschte der „Stern“vor. „Das war so nicht mit mir abgesproch­en“, beschwerte sich Gabriel.

Es ist wohl nur noch eine Formalie, dass auch der SPD-Parteivors­tand Schulz als Kanzlerkan­didaten abnickt. Auf einem Sonderpart­eitag müsste er dann zum Parteichef gewählt werden. Gabriel: „Ich sage ja nicht, dass es mir leicht fällt, aber Kanzlerkan­didatur und der Parteivors­itz gehören jetzt in eine Hand“. Er habe es seiner Partei als Vorsitzend­er nicht leicht gemacht, sie ihm aber auch nicht.

Gabriel selbst will in der Bundesregi­erung bleiben und Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Außenminis­ter ersetzen. Dies sei logisch, weil er die größte außenpolit­ische Erfahrung habe, sagte er am Abend. Zur neuen Wirtschaft­sministeri­n soll die bisherige Staatssekr­etärin Brigitte Zypries (SPD, 63) aufsteigen. Sie war während der Regierung von Gerhard Schröder (SPD) bereits Bundesjust­izminister­in.

Die Kabinettsu­mbildung wird voraussich­tlich noch in dieser Woche erfolgen. Schon am Freitag könnten Gabriel und Zypries vereidigt werden. Steinmeier tritt am 12. Februar bei der Bundespräs­identenwah­l als Kandidat der großen Koalition an - an seiner Wahl gibt es keinen Zweifel.

Die Reaktionen auf den Knaller fielen sehr unterschie­dlich aus. Während die FDP von einem „ungeordnet­en Rückzug“der SPD und der Koalition sprach, versprach die SPD-Linke „wie eine Eins“hinter Schulz zu stehen.

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Haben die Sache untereinan­der ausgemacht: die „Genossen“Martin Schulz (l.) und Sigmar Gabriel
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