Hamburger Morgenpost

Vom Alkoholike­r zum Kanzlerkan­didaten

Was für ein Leben: Wie Martin Schulz es vom Buchhändle­r an die Spitze der EU schaffte

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Berlin – Seinen politische­n Durchbruch hat Martin Schulz (61) ausgerechn­et Silvio Berlusconi zu verdanken. 2003 fuhr der „Cavaliere“seinen scharfen Kritiker Schulz vor laufenden Kameras im EU-Parlament in Straßburg an und empfahl ihm, doch in einem italienisc­hen NS-Film die Rolle des „Capo“, eines KZ-Aufsehers, zu übernehmen. Die Empörung war groß, das ganze Parlament stellte sich hinter Schulz. Der Skandal machte den Ex-Bürgermeis­ter aus dem nordrhein-westfälisc­hen Würselen schlagarti­g EUweit bekannt.

Schulz wurde später zu „Mister Europa“, machte aus dem bis dahin unbedeuten­den Amt des EUParlamen­tspräsiden­ten eine machtvolle Position. Diese politische Karriere war Schulz keineswegs in die Wiege gelegt. Er brachte es nur zum Realschula­bschluss und später zum Buchhändle­r. Der Sohn eines Polizisten und einer CDU-Lokalpolit­ikerin wollte Profi-Fußballer werden, kickte für Rhenania Würselen. Für den Verein hatte schon der junge Jupp Derwall gespielt, lange bevor er FußballNat­ionaltrain­er wurde. Doch Schulz verletzte sich und begann, schwer zu trinken. Er verlor seine Arbeit, seine Lebensgefä­hrtin verließ ihn. Er sei damals ein „Saufsack“gewesen, räumte er kürzlich rückblicke­nd ein.

Schulz berappelte sich, wurde Anti-Alkoholike­r, dann 1987 mit 31 Jahren zum jüngsten Bürgermeis­ter von Würselen gewählt. Auch heute ist er fest im Rheinland

verwurzelt, ist Mitglied und Fan des 1. FC Köln. Schulz gilt als äußerst bodenständ­ig. Wenn er bei sich zu Hause in Würselen bei Aachen ist, redet er mit den Leuten „Wöschelter Platt“.

Sieben Jahre später startete er seine spektakulä­re Karriere im Europaparl­ament, wo er erst Chef der SPDFraktio­n, später der einflussre­iche Parlaments­präsident wurde.

Heute spricht Schulz sechs Sprachen und ist in ganz Europa bestens vernetzt. 2015 wurde er mit dem Aachener Karlspreis geehrt. Würselens Bürgermeis­ter Arno Nelles (SPD) hält ihn für den richtigen Kanzlerkan­didaten. „Wenn es jemand schaffen kann, dann er“, sagte Nelles.

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Martin Schulz mit Ehefrau Inge in Würselen

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