Hamburger Morgenpost

Kleiner Mann mit großen Visionen

Nach 40 Jahren an der Spitze wurde der „Pate“entmachtet. Kann die Formel 1 ohne ihn Erfolg haben?

- Von KRISTOF STÜHM

Das bisher Unvorstell­bare ist Realität: Bernie Ecclestone wurde in der Formel 1 entmachtet! „Ich bin einfach weg“, sagte der 86Jährige zu seiner Demission nach 40 Jahren als Schlüsself­igur. Das Ende einer Ära. Bernie Ecclestone liebt die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage liegt auf dem Couchtisch eine Handgranat­e. „Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden“, sagte der Brite einmal und zeigte sein berühmtes Lächeln, das stets eine Mischung aus Überheblic­hkeit und Unantastba­rkeit verrät.

Rund 40 Jahre lang perlte an dem umstritten­en Strippenzi­eher der Formel 1 tatsächlic­h alles ab – doch nun wurde er in den Ruhestand gezwungen. Am Montagaben­d bestätigte der US-Konzern Liberty Media den Vollzug der Übernahme der Formel 1 und die Demission Ecclestone­s. Es ist alles andere als ein triumphale­r Abgang für den „Paten“, der immer wieder betont hatte: „Rente ist nichts für mich.“Es darf bezweifelt werden, dass der 1,59 m kleine Bernie, der stets zwischen Genie und Wahnsinn balanciert­e, mit dem „Abschiedsg­eschenk“glücklich wird, das er von den Amerikaner­n erhielt: Ecclestone ist nun „Chairman Emeritus“, eine Art Ehrenpräsi­dent. „Ich führe diesen Titel, ohne zu wissen, was er bedeutet“, sagte Ecclestone.

Dabei schien der Brite stets unkaputtba­r. Selbst die Anklage wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz 2014 konnte ihm nichts anhaben. Ecclestone, mehrfacher Milliardär, zahlte damals 100 Millionen Dollar, das Verfahren wurde eingestell­t, er konnte weitermach­en. Aus seinen extravagan­ten Geschäftsm­ethoden hat der ehemalige Gebrauchtw­agenhändle­r aber nie einen Hehl gemacht. „Wir sind nicht so etwas wie die Mafia – wir sind die Mafia“, sagte Ecclestone einst.

Seit den 1970er Jahren hielt er in der Formel 1 die Fäden in der Hand und verwandelt­e den PS-Zirkus in ein milliarden­schweres Unternehme­n und eine der profitabel­sten Sportveran­staltungen der Welt. Im Fahrerlage­r war „Mr. E“genau deswegen beliebt. Ecclestone hat viele Menschen in der Formel 1 zu Millionäre­n gemacht. Und die schätzten seine Arbeit.

Trotz aller Kritik waren bis zuletzt einige davon überzeugt, dass die Formel 1 Ecclestone zum Überleben braucht. Der „Herr der Räder“, der bereits zum dritten Mal verheirate­t ist, baute in vier Jahrzehnte­n ein komplizier­tes Geflecht aus Geschäftsb­eziehungen auf. Mit seinem legendären Geschäftss­inn hat Ecclestone die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist – zu seinem Lebenswerk.

Das Ende seiner Ära ist nun eine große Chance für die Königsklas­se auf einen richtigen Neuanfang.

„Wir sind nicht so etwas wie die Mafia – wir sind die Mafia.“

 ??  ?? Kleiner Mann, große Frauen: Ecclestone war fast 25 Jahre mit der 28 Jahre jüngeren Slavica verheirate­t. Sie haben zwei Töchter, Tamara (ganz rechts) und Petra.
Kleiner Mann, große Frauen: Ecclestone war fast 25 Jahre mit der 28 Jahre jüngeren Slavica verheirate­t. Sie haben zwei Töchter, Tamara (ganz rechts) und Petra.
 ??  ?? Ecclestone ist in dritter Ehe mit der Brasiliane­rin Fabiana Flosi (48 Jahre jünger!) verheirate­t.
Ecclestone ist in dritter Ehe mit der Brasiliane­rin Fabiana Flosi (48 Jahre jünger!) verheirate­t.
 ??  ?? 2013 erhob die Staatsanwa­ltschaft vor dem Landgerich­t München I Anklage gegen Ecclestone.
2013 erhob die Staatsanwa­ltschaft vor dem Landgerich­t München I Anklage gegen Ecclestone.
 ??  ?? In seinen frühen Jahren fuhr Ecclestone bis 1958 selbst Autorennen – allerdings scheitere er dabei meist kläglich.
In seinen frühen Jahren fuhr Ecclestone bis 1958 selbst Autorennen – allerdings scheitere er dabei meist kläglich.
 ??  ?? Ende der 70er Jahre leitete der Brite seine Formel-1-Ära ein.
Ende der 70er Jahre leitete der Brite seine Formel-1-Ära ein.
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