Kleiner Mann mit großen Visionen
Nach 40 Jahren an der Spitze wurde der „Pate“entmachtet. Kann die Formel 1 ohne ihn Erfolg haben?
Das bisher Unvorstellbare ist Realität: Bernie Ecclestone wurde in der Formel 1 entmachtet! „Ich bin einfach weg“, sagte der 86Jährige zu seiner Demission nach 40 Jahren als Schlüsselfigur. Das Ende einer Ära. Bernie Ecclestone liebt die ganz derben Scherze. In seinem Büro in Londons bester Lage liegt auf dem Couchtisch eine Handgranate. „Es war noch nicht der richtige Besucher da, um sie zu zünden“, sagte der Brite einmal und zeigte sein berühmtes Lächeln, das stets eine Mischung aus Überheblichkeit und Unantastbarkeit verrät.
Rund 40 Jahre lang perlte an dem umstrittenen Strippenzieher der Formel 1 tatsächlich alles ab – doch nun wurde er in den Ruhestand gezwungen. Am Montagabend bestätigte der US-Konzern Liberty Media den Vollzug der Übernahme der Formel 1 und die Demission Ecclestones. Es ist alles andere als ein triumphaler Abgang für den „Paten“, der immer wieder betont hatte: „Rente ist nichts für mich.“Es darf bezweifelt werden, dass der 1,59 m kleine Bernie, der stets zwischen Genie und Wahnsinn balancierte, mit dem „Abschiedsgeschenk“glücklich wird, das er von den Amerikanern erhielt: Ecclestone ist nun „Chairman Emeritus“, eine Art Ehrenpräsident. „Ich führe diesen Titel, ohne zu wissen, was er bedeutet“, sagte Ecclestone.
Dabei schien der Brite stets unkaputtbar. Selbst die Anklage wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall vor der deutschen Justiz 2014 konnte ihm nichts anhaben. Ecclestone, mehrfacher Milliardär, zahlte damals 100 Millionen Dollar, das Verfahren wurde eingestellt, er konnte weitermachen. Aus seinen extravaganten Geschäftsmethoden hat der ehemalige Gebrauchtwagenhändler aber nie einen Hehl gemacht. „Wir sind nicht so etwas wie die Mafia – wir sind die Mafia“, sagte Ecclestone einst.
Seit den 1970er Jahren hielt er in der Formel 1 die Fäden in der Hand und verwandelte den PS-Zirkus in ein milliardenschweres Unternehmen und eine der profitabelsten Sportveranstaltungen der Welt. Im Fahrerlager war „Mr. E“genau deswegen beliebt. Ecclestone hat viele Menschen in der Formel 1 zu Millionären gemacht. Und die schätzten seine Arbeit.
Trotz aller Kritik waren bis zuletzt einige davon überzeugt, dass die Formel 1 Ecclestone zum Überleben braucht. Der „Herr der Räder“, der bereits zum dritten Mal verheiratet ist, baute in vier Jahrzehnten ein kompliziertes Geflecht aus Geschäftsbeziehungen auf. Mit seinem legendären Geschäftssinn hat Ecclestone die Formel 1 zu dem gemacht, was sie heute ist – zu seinem Lebenswerk.
Das Ende seiner Ära ist nun eine große Chance für die Königsklasse auf einen richtigen Neuanfang.
„Wir sind nicht so etwas wie die Mafia – wir sind die Mafia.“