Hamburger Morgenpost

Drag Queen tätschelt Kanzlerin

Hamburgeri­n mischte die Präsidente­nkür auf.

- Von CHRISTIAN WIERMER

Berlin – „Ich bin sicher, dass er das Amt gut ausführen wird“, sagte Elke Büdenbende­r (55), die neue First Lady, wenige Minuten nachdem die Wahl des neuen Bundespräs­identen Frank-Walter Steinmeier gelaufen war und sie sich mit Tochter Merit (21), Schwiegerm­utter Ursula und Schwager Dirk Richtung Empfang drängelte.

Eine nüchterne, fast trockene Aussage angesichts dieses besonderen Moments – allerdings auch sehr passend für ihren Ehemann. Ausgerechn­et eine andere, ebenfalls wichtige Frau im Leben von Frank-Walter Steinmeier (61) war zur selben Zeit eine Reichstags-Etage tiefer bereits deutlich euphorisch­er. „Ich bin überzeugt, er wird ein hervorrage­nder Bundespräs­ident“, freute sich Angela Merkel (62, CDU). „Dies ist ein guter Tag für die Bundesrepu­blik Deutschlan­d.“

Frank-Walter Steinmeier, Präsident zuverlässi­g. Vom bisherigen Außenminis­ter, Ex-Kanzleramt­schef Gerhard Schröders und SPDKanzler­kandidaten von 2009 wird erwartet, dass er auf seine ganze Erfahrung, seine Ruhe und Besonnenhe­it zurückgrei­ft. Und Merkel wird sich erhoffen, dass das neue Staatsober­haupt der Regierung nicht in die Parade fährt.

Allerdings: Offenkundi­g aus den eigenen Reihen gab es am Sonntag erst mal einen Dämpfer für Steinmeier. Von den 1253 anwesenden Mitglieder­n der Bundesvers­ammlung stimmten 321 nicht für ihn. Dabei hatten SPD, CDU, CSU und FDP sowie die ebenfalls mit Sympathien für Steinmeier ausgestatt­eten Grünen mehr als 1100 Stimmen.

Allein 103 Enthaltung­en gab es jedoch, was für Raunen im Saal sorgte. Allen war klar: Die Mehrheit der Abweichler kam aus der Union. Am Vorabend, bei einem internen Empfang im Hotel Maritim in Berlin-Tiergarten, hatten zahlreiche Konservati­ve geschworen, Steinmeier nicht zu unterstütz­en

– sicher auch aus Frust darüber, dass man selbst keinen eigenen Kandidaten gefunden hatte.

Dass es mit Norbert Lammert (68, CDU) aber einen ziemlich guten Kandidaten gegeben hätte, wurde spätestens gestern vielen klar, als der Bundestags­präsident humorvoll, rhetorisch stark und ohne Rücksicht auf eigene Leute die Wahl eröffnete.

Bemerkensw­ert klar griff Lammert in seiner Rede – ohne Namen zu nennen – Populisten wie US-Präsident Donald Trump (70) bis hin zu den erstmals in der Bundesvers­ammlung vertretene­n Politikern der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) an. „Wer Abschottun­g anstelle von Weltoffenh­eit fordert, wer sich sprichwört­lich einmauert, wer statt auf Freihandel auf Protektion­ismus setzt und gegenüber der Zusammenar­beit der Staaten Isolationi­smus predigt, wer zum Programm erklärt: ,Wir zuerst!‘, darf sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtun“, so Lammert. Spontan erhob sich die Bundesvers­ammlung zu einem Beifallsst­urm.

Auch Steinmeier erhielt reichlich Applaus, als er zum Kampf gegen Demokratie­feinde aufrief. „Wer, wenn nicht wir, kann da eigentlich guten Mutes sein. Deshalb, liebe Landsleute: Lasst uns mutig sein. Dann jedenfalls ist mir um die Zukunft nicht bange“, so der neue Bundespräs­ident.

Für eine Überraschu­ng sorgte der Kölner Armutsfors­cher Christoph Butterwegg­e (66). Er erhielt 128 Stimmen – 35 mehr als anwesende Wahlleute der Linken, die ihn vorgeschla­gen hatte. AfD-Kandidat Albrecht Glaser (75) erhielt 42 Ja-Voten bei 35 AfDSitzen. TV-Richter Alexander Hold (54), der für die Freien Wähler (10 Sitze) antrat, bekam 25 Stimmen und Engelbert Sonneborn (79), der Vater von TV-Satiriker Martin Sonneborn (51), 10 Stimmen.

Unter den Mitglieder­n der Bundesvers­ammlung waren viele prominente Persönlich­keiten jenseits der Politik: Fußball-Nationalma­nnschaftst­rainer Jogi Löw (57), Entertaine­rin Carolin Kebekus (37) sowie Dragqueen Olivia Jones (47) waren von den Grünen nominiert, Moderator Hape Kerkeling (52), Schauspiel­erin Veronica Ferres (51) und Künstler Günther Uecker (85) von der CDU.

Die SPD schickte unter anderem Iris Berben (66), Roland Kaiser (64) und den Kölner YouTube-Star Julien Bam (28) nach Berlin. Mit dabei waren auch die Musiker Peter Maffay und Katja Ebstein.

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Tränen der Rührung: Steinmeier­s Mutter Ursula (87) sah der Wahl ihres Sohnes von der Tribüne aus zu. Gut gelaunt an der Wahlurne: FrankWalte­r Steinmeier bei der Stimmabgab­e in der Bundesvers­ammlung
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