Hamburger Morgenpost

Vorsicht, falsche Polizisten!

150 Betrugsfäl­le in Hamburg, 370 000 Euro Beute! Gauner geben sich als Kripo-Beamte aus und plündern dann die Wohnungen von Senioren. Ein Opfer erzählt in der MOPO, wie die miese Masche funktionie­rt

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Sie geben sich am Telefon als Polizisten aus oder erscheinen mit einem gef lschten Ausweis an der Haustür ihrer Opfer: Falsche Kripobeamt­e, die es auf Senioren abgesehen haben, schlagen in ganz Hamburg derzeit massiv zu. Mehr als 150 Fälle mit einer Beute von 370 000 Euro gab es in den vergangene­n Monaten schon! Die MOPO am Sonntag sprach mit einer 68-Jährigen aus Eppendorf, die von solch feigen Dieben bestohlen wurde.

„Ich hab mich in meiner Wohnung immer so geborgen gefühlt, das ist nun vorbei.“Ingrid D. (68, Name geändert) sitzt resigniert in ihrer kleinen Eppendorfe­r Wohnung. Dabei ist es überhaupt nicht ihre Art zu resigniere­n. Die Pädagogin ist topfit, arbeitet immer noch in der Erwachsene­nbildung. Nie hätte sie es für möglich gehalten, mal das Opfer falscher Polizisten zu werden. Doch genau das ist ihr nun passiert.

Es ist der 21. Januar, die 68Jährige kommt vom Einkaufen und geht mit ihrem „Hackenpors­che“voller Lebensmitt­el durch die ruhige Wohnstraße, in der sie lebt. Vermutlich wird sie da schon von den beiden Tätern aus einem dunklen Auto heraus beobachtet. Im Hausf ur stehen sie dann plötzlich hinter ihr: zwei Männer, etwa 30 und 45 Jahre alt. „Ich hab mich noch gefragt, was die hier wollten, die passten irgendwie gar nicht ins Haus,“erinnert sich Ingrid D. heute.

Einer bietet ihr an, beim Tragen der Einkäufe zu helfen, doch die 68-Jährige lehnt ab und fährt mit dem Fahrstuhl zu ihrer Wohnung. Plötzlich sind die Männer an ihrer Wohnungstü­r, erzählen irgendwas von Einbruch, man müsse nun mal schauen, ob der Täter noch in der Wohnung sei. „Die haben mich in die Wohnung geschoben und alle Zimmer durchsucht,“so die Seniorin.

Die Täter tischen ihr eine abenteuerl­iche Geschichte auf – von einer Bande, die von der Kripo lange observiert worden sei und bei der man Fotos von Ingrid D. gefunden habe. Als die Frau ihr Schlafzimm­er betritt, ist dort alles durchwühlt. Einer der „Kripoleute“zieht sich Gummihands­chuhe an und beginnt mit der „Spurensich­erung“. „Von denen ging so eine geballte Energie aus, mir wurde ganz schlecht. Ich fühlte mich wie ferngesteu­ert, wie eine Marionette. Das war ein unbeschrei­bliches Gefühl der Ohnmacht“, sagt die Rentnerin.

Schließlic­h verschwind­en die „Kripoleute“und erklären, es würden gleich die Kollegen der Schutzpoli­zei kommen, um den Tatort zu „sichern“.

Als kein Streifenwa­gen erscheint, ruft Ingrid D. bei ihrem Polizeirev­ier an der Troplowitz­straße an. Die aufnehmend­e Polizistin stöhnt: „Oh je, schon der zweite Fall in Ihrer Straße.“

Die beiden Täter haben bei der 68-Jährigen Schmuck im Wert von etwa 20000 Euro erbeutet. „Darunter war auch die Schwanzf osse eines Wals aus Gold – das Schmuckstü­ck hab ich mir als Anhänger extra anfertigen lassen, ich hab so daran gehangen. Ich könnte heulen, wenn ich daran denke, dass es jetzt wohl eingeschmo­lzen wird,“sagt die Bestohlene.

Außerdem erbeuteten die Täter Familiensc­hmuck und zwei kleine Goldbarren. Dinge, die Ingrid D. verkaufen wollte. „Ich träumte nach 35 Berufsjahr­en einfach davon, noch mal eine große Reise zu machen – nach Mexiko, zu den Walen ...“, erklärt die Rentnerin. Sie schluckt, sagt: „Ich bin eigentlich immer gesund misstrauis­ch gewesen. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ausgerechn­et mir so was mal passiert.“

Zum materielle­n Verlust kommt auch der Ekel. Das Gefühl, dass jemand in ihren Sachen rumgewühlt hat, auf die Tagesdecke im Schafzimme­r getreten ist. Immer und immer wieder wäscht sie die Sachen. Die Tat hat das Leben der Seniorin massiv verändert, sie sagt: „Vorm Einschlafe­n höre ich die Stimmen der Männer, ich sehe ihre Gesichter deutlich vor mir.“

Zum ganzen Ärger will jetzt auch noch die Hausratver­sicherung nicht zahlen. Es war ja „nur“ein Trickdiebs­tahl, kein Raub. Doch das will Ingrid D. nicht hinnehmen: „Das lasse ich mir nicht gefallen“, sagt sie. Da ist sie wieder die „alte“Ingrid D. – eine resolute Frau, die so schnell nichts umwirft.

Die Täter hatten die 68-Jährige schon auf der Straße beobachtet. Die falschen Kripoleute beginnen sogar mit einer „Spurensich­erung“. Jetzt muss sich die Seniorin auch noch mit der Versicheru­ng streiten.

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