Hausbesuch beim Waffen-Narren
Wie gefährlich ist Henning von S.?
Durchgedrehte Wutbürger gibt es inzwischen viele. Aber der Fall Henning von S. in Pinneberg ist bundesweit einmalig: Die Polizei holte am Donnerstag 114 scharfe Waffen, 71000 Schuss Munition und kiloweise Chemikalien zur Sprengstoffherstellung aus der heruntergekommenen Villa des 62Jährigen. Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Fall.
Wer ist Henning von S.?
Er entstammt einem schlesischen Adelsgeschlecht, das seit 1701 Generäle, Superintendenten, Regierungsräte und einen Vizeadmiral hervorgebracht hat. Henning von S. ging vermutlich um 1980 in die Hamburgische Verwaltung. In den 90er Jahren war er als Amtsrat Leiter des Sprengstoffreferats im Amt für Arbeitsschutz der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Nach MOPO-Informationen kam es schon damals zu Vorfällen. So soll er bei einer Sprengung für Dreharbeiten einem Pyrotechniker mit „Erschießen“gedroht haben. Danach soll er innerhalb der Behörde versetzt worden sein.
Wie konnte Henning von S. so viele Waffen ansammeln?
Der Hamburger Beamte hat mindestens bis in die späten 90er Jahre als Waffensachverständiger gearbeitet. Als solcher bekam er vom Kreis Pinneberg – seiner Wohnsitzbehörde – eine „Rote Waffenbesitzkarte“. Damit konnte er eine unbegrenzte Anzahl scharfer Schusswaffen legal erwerben, aber nicht führen. Voraussetzung für den legalen Besitz war eine sichere Aufbewahrung in schweren Tresoren. Über die verfügte Henning von S. in seinem Pinneberger Haus.
Wie kam es zum Konflikt mit dem Kreis Pinneberg?
Spätestens 2013 gab es Hinweise darauf, dass Henning von S. ein psychisches Problem hat. Das geht offenbar auch aus einem Gutachten eines Psychiatrie-Professors hervor. Vermutlich auf Druck des Amtes hatte sich Henning von S. bei dem Mann vorstellen müssen. Später äußerte sich Henning von S. über den Gutachter im Internet so: „Da war das Schlechtgutachten eines NichtHerrn. Mir war sonnenklar, dass ich in eine Falle gelaufen war …“
2015 dann entzog der Kreis Pinneberg Henning von S. alle „waffenrechtlichen Erlaubnisse“, die Sprengstofferlaubnis und den Jagdschein. Offenbar aufgrund seines psychischen Zustands sei die nötige „Zuverlässigkeit“für diese Erlaubnisse nicht mehr gegeben.
Henning von S. reagierte mit einer Flut von Beschwerden, Mails und Internet-Veröffentlichungen, ließ sogar 20 000 Flugblätter drucken. Darin diffamierte er den Pinneberger Landrat als „Schwerkriminellen“. Er sah sich als „Mobbing-Opfer“, schrieb im Internet bedrohliche Sätze: „Was diese Typen nicht begriffen haben: Die Natur (Der Herrgott) lässt sich auf Dauer nicht betrügen. DER greift irgendwann durch.“Und dann bestimmt der Herrgott, wer überleben wird.“
Ist Henning von S. ein „Reichsbürger“?
Seine „Argumente“ähneln denen dieser Gruppe, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre Verwaltungen nicht anerkennt.
Warum hat er Berge von Reis, Knäckebrot und Konserven eingelagert?
Henning von S. ist offenbar ein „Prepper“. Das sind Leute, die sich auf jede Art von Katastrophen vorbereiten, indem sie riesige Vorräte anlegen, Bunker bauen oder Gasmasken kaufen.
Warum ist Henning von S. auf freiem Fuß?
Seine psychische Auffälligkeit ist nicht so stark, dass er in eine geschlossene Anstalt müsste. Er ist bisher nicht gewalttätig geworden. Und der Verstoß gegen das Waffengesetz, begangen durch die Nichtablieferung seiner Waffen beim Amt, begründet keinen Haftbefehl.