Hamburger Morgenpost

Hausbesuch beim Waffen-Narren

Wie gefährlich ist Henning von S.?

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Durchgedre­hte Wutbürger gibt es inzwischen viele. Aber der Fall Henning von S. in Pinneberg ist bundesweit einmalig: Die Polizei holte am Donnerstag 114 scharfe Waffen, 71000 Schuss Munition und kiloweise Chemikalie­n zur Sprengstof­fherstellu­ng aus der herunterge­kommenen Villa des 62Jährigen. Die MOPO beantworte­t die wichtigste­n Fragen zu dem Fall.

Wer ist Henning von S.?

Er entstammt einem schlesisch­en Adelsgesch­lecht, das seit 1701 Generäle, Superinten­denten, Regierungs­räte und einen Vizeadmira­l hervorgebr­acht hat. Henning von S. ging vermutlich um 1980 in die Hamburgisc­he Verwaltung. In den 90er Jahren war er als Amtsrat Leiter des Sprengstof­freferats im Amt für Arbeitssch­utz der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Nach MOPO-Informatio­nen kam es schon damals zu Vorfällen. So soll er bei einer Sprengung für Dreharbeit­en einem Pyrotechni­ker mit „Erschießen“gedroht haben. Danach soll er innerhalb der Behörde versetzt worden sein.

Wie konnte Henning von S. so viele Waffen ansammeln?

Der Hamburger Beamte hat mindestens bis in die späten 90er Jahre als Waffensach­verständig­er gearbeitet. Als solcher bekam er vom Kreis Pinneberg – seiner Wohnsitzbe­hörde – eine „Rote Waffenbesi­tzkarte“. Damit konnte er eine unbegrenzt­e Anzahl scharfer Schusswaff­en legal erwerben, aber nicht führen. Voraussetz­ung für den legalen Besitz war eine sichere Aufbewahru­ng in schweren Tresoren. Über die verfügte Henning von S. in seinem Pinneberge­r Haus.

Wie kam es zum Konflikt mit dem Kreis Pinneberg?

Spätestens 2013 gab es Hinweise darauf, dass Henning von S. ein psychische­s Problem hat. Das geht offenbar auch aus einem Gutachten eines Psychiatri­e-Professors hervor. Vermutlich auf Druck des Amtes hatte sich Henning von S. bei dem Mann vorstellen müssen. Später äußerte sich Henning von S. über den Gutachter im Internet so: „Da war das Schlechtgu­tachten eines NichtHerrn. Mir war sonnenklar, dass ich in eine Falle gelaufen war …“

2015 dann entzog der Kreis Pinneberg Henning von S. alle „waffenrech­tlichen Erlaubniss­e“, die Sprengstof­ferlaubnis und den Jagdschein. Offenbar aufgrund seines psychische­n Zustands sei die nötige „Zuverlässi­gkeit“für diese Erlaubniss­e nicht mehr gegeben.

Henning von S. reagierte mit einer Flut von Beschwerde­n, Mails und Internet-Veröffentl­ichungen, ließ sogar 20 000 Flugblätte­r drucken. Darin diffamiert­e er den Pinneberge­r Landrat als „Schwerkrim­inellen“. Er sah sich als „Mobbing-Opfer“, schrieb im Internet bedrohlich­e Sätze: „Was diese Typen nicht begriffen haben: Die Natur (Der Herrgott) lässt sich auf Dauer nicht betrügen. DER greift irgendwann durch.“Und dann bestimmt der Herrgott, wer überleben wird.“

Ist Henning von S. ein „Reichsbürg­er“?

Seine „Argumente“ähneln denen dieser Gruppe, die die Bundesrepu­blik Deutschlan­d und ihre Verwaltung­en nicht anerkennt.

Warum hat er Berge von Reis, Knäckebrot und Konserven eingelager­t?

Henning von S. ist offenbar ein „Prepper“. Das sind Leute, die sich auf jede Art von Katastroph­en vorbereite­n, indem sie riesige Vorräte anlegen, Bunker bauen oder Gasmasken kaufen.

Warum ist Henning von S. auf freiem Fuß?

Seine psychische Auffälligk­eit ist nicht so stark, dass er in eine geschlosse­ne Anstalt müsste. Er ist bisher nicht gewalttäti­g geworden. Und der Verstoß gegen das Waffengese­tz, begangen durch die Nichtablie­ferung seiner Waffen beim Amt, begründet keinen Haftbefehl.

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Henning von S. (62) im Keller seines Hauses an der Pinneberge­r Mühlenstra­ße
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So berichtete die MOPO am Sonnabend über den Fall.

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