Hamburger Morgenpost

Ärger um Erdogan-Propaganda

Das Stück beschuldig­t den Westen, hinter dem Putsch und IS-Terror zu stecken Karten für die Aufführung in Wilhelmsbu­rg werden in Ditib-Moscheen verkauft

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Von OLAF WUNDER

Ein Theatererl­ebnis der ganz besonderen Art erwartet Hamburg am kommenden Sonntag – es sei denn, die Stadt Hamburg spricht rechtzeiti­g ein Verbot aus. Wenn nicht, dann wird eine Theatergru­ppe aus Istanbul im Saal eines Wilhelmsbu­rger Hotels ein Stück aufführen, das nur so strotzt vor türkischem Nationalis­mus, Antisemiti­smus und antiwestli­cher Propaganda. „Son Kale Türkiye“heißt es. Was zu Deutsch so viel bedeutet wie: „Letzte Bastion Türkei“. Veranstalt­er ist nach MOPO-Informatio­nen eine Eventfirma, die der Erdogan-Partei AKP nahesteht. Auch die faschistis­chen Grauen Wölfe und Erdogans Hilfstrupp­en von der

sogenannte­n Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) mischen mit. Davon geht jedenfalls Rechtsanwa­lt Mahmut Erdem von der gemäßigten Alevitisch­en Gemeinde aus.

Was die Sache aus Erdems Sicht so skandalös macht: dass ausgerechn­et in DitibMosch­een aktiv für das Stück geworben werde. „Dort werden sogar die Karten verkauft“, sagt er. Zur Erinnerung: Ditib ist der Zusammensc­hluss von Muslimen in Hamburg, mit dem die Stadt einen Staatsvert­rag geschlosse­n hat. Darin verpflicht­et sich Ditib, sich für die Integratio­n einzusetze­n.

Doch dieses Theaterstü­ck kann viel bewirken – nur eins nicht: Integratio­n. Denn was da auf der Bühne zur Schau gestellt wird, ist, so Erdem, „pure Propaganda, nationalis­tisch und kriegslüst­ern“. Laut NDR-Magazin „Panorama 3“wird das Publikum eingeschwo­ren auf den Kampf für die Türkei gegen einen Westen, der angeblich nur ein Ziel verfolgt: den Islam zu zerstören. Kritiker von Präsident Erdogan würden zu Freiwild erklärt. Das Stück versteigt sich zu der These, die Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) sei vom Westen gegründet worden mit dem Ziel, die Muslime gegeneinan­der aufzubring­en. Überflüssi­g zu erwähnen, dass in dem Theaterstü­ck dem Westen und Israel unterstell­t wird, auch den Putsch in der Türkei initiiert zu haben.

In anderen Städten wie etwa in Augsburg (Bayern) und in Erlensee (Main-Kinzig-Kreis) wurde die Aufführung des Theaterstü­cks in jüngster Vergangenh­eit verboten. Diesem Beispiel sollte Hamburg folgen, findet Cansu Özdemir, Fraktionsc­hefin der Linken in der Bürgerscha­ft. Auch Mahmut Erdem von der Alevitisch­en Gemeinde schließt sich dieser Forderung an. Er empfiehlt dem Senat außerdem, „den Staatsvert­rag zwar nicht zu kündigen, aber die Zusammenar­beit mit Ditib auf Eis zu legen“.

Aufgeführt wird das Theaterstü­ck am Sonntag übrigens im „Hotel Class“in Wilhelmsbu­rg, in dessen Saal sonst meist türkische Hochzeiten stattfinde­n. Der Inhaber – selbst Türke – war gestern nicht zu erreichen. Ein Mitarbeite­r gab die Auskunft, man vermiete nur den Saal, wisse nichts von einem nationalis­tischen Theaterstü­ck. Der Mann ließ offen, ob die Veranstalt­ung abgesagt wird.

Für Hamburgs CDU ist das geplante Theaterstü­ck ein neues Beispiel dafür, dass Ditib türkische Politik gegen die Werte des Westens betreibe und die Integratio­n konterkari­ere. Deshalb lädt der CDU-Fraktionsv­orsitzende André Trepoll heute zu einer Pressekonf­erenz ein. Trepoll hatte sich schon einmal für eine Aufkündigu­ng des Staatsvert­rags mit den Muslimen starkgemac­ht.

„Senat sollte die Zusammenar­beit mit Ditib auf Eis legen.“Rechtsanwa­lt Mahmut Erdem

 ??  ?? Werbeplaka­t für das umstritten­e Stück. Die drei Herren rechts sind David, Jakob und Donald – und symbolisie­ren den ungläubige­n Westen. Die drei links sind die heldenhaft­en Verteidige­r des Islam.
Werbeplaka­t für das umstritten­e Stück. Die drei Herren rechts sind David, Jakob und Donald – und symbolisie­ren den ungläubige­n Westen. Die drei links sind die heldenhaft­en Verteidige­r des Islam.
 ??  ?? Ziemlich martialisc­h und nationalis­tisch: Diese Darsteller tragen volle Kampfmontu­r und sind mit Sturmgeweh­ren bewaffnet. In der Hand: die türkische Fahne.
Ziemlich martialisc­h und nationalis­tisch: Diese Darsteller tragen volle Kampfmontu­r und sind mit Sturmgeweh­ren bewaffnet. In der Hand: die türkische Fahne.
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Mit versteckte­r Kamera gedreht: Der Bärtige, der aussieht wie aus Tausendund­einer Nacht, reckt die Faust – das Publikum applaudier­t.

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