Partys, Prozessionen und ein Naturparadies
Ostern auf der griechischen Kykladen-Insel Paros: Wandern, feiern und tief durchatmen
„Komm mit!“, sagt mein Nachbar Dimitris. „Komm mit in die Kathedrale. Und bring eine Kerze mit!“Die Osternacht auf Paros – ganz egal, wer frommer Christ ist und wer glücklicher Atheist. Weil sowas Nebensache ist unter der Kuppel der byzantinischen Panagia Ekatonpiliani: 1500 Jahre alt ist der mächtige Bau – und in dieser Nacht völlig überfüllt.
Kurz vor Mitternacht werden alle Lichter gelöscht, Gesänge dringen aus dem Dunkel. Punkt zwölf bringen Priester das heilige Feuer zu den Menschen mit ihren Kerzen – in Windeseile breitet sich ein Meer aus Licht aus. In der Kirche, dann vor dem Portal, auf dem Platz, in der ganzen Stadt: „Christos Anesti!“, Christus ist auferstanden: Feuerwerk, Böller – die Menschen umarmen sich, ich stehe mittendrin und mein ganzer Nichtglauben ist für ein paar Minuten graue Theorie.
Ostern ist das höchste Fest der Griechen. Hunderttausende strömen in diesen Tagen auf die Kykladen– die Inseln haben eine lange Tradition des Feierns: Uralte Rituale sind das, prächtige Prozessionen und Feste in entlegenen Klöstern in den Bergen. Zu denen schon der Wanderweg eine Freude ist.
Denn wer im Frühjahr diese sonnenverwöhnte Inselgruppe besucht, erlebt
sie noch tiefgrün: Ein Meer von Wildblumen und duftenden Kräutern vor dem unfassbaren Blau der Ägäis.
Ostern ist auf den Kykladen Höchstsaison: Rummel in den Häfen, Hotels und Restaurants haben geöffnet wie sonst nur im heißen Sommer. Und die Krise im Land ist für ein paar Tage mal ganz weit weg.
In der Mitte der Kykladen liegt Paros. Entspannter als die Massenziele Mykonos und Santorin, aber trubeliger als Felsidylle wie Amorgos oder Sifnos. Den Winter über sind die Menschen auf all diesen Inseln für sich – nur ganz wenige Touristen setzen sich den Stürmen aus, die hier im Januar und Februar toben. Doch dann startet das Frühjahr durch: Warm und sonnig, die Blütenpracht ist überwältigend. Sanfte Hügel laden zu entspannten Spaziergängen ein, auch geführte Wanderungen durch das stille Hinterland werden angeboten: Von idyllischen Bergdörfern wie Lefkes führen die dann durch üppig grüne Täler, in denen noch die Bäche rauschen, bis hinunter zu den weißen Sandstränden und kleinen Fischerhäfen voller Cafes und Tavernen.
Gruselige NachtSzenen an der Promenade von Parikia, dem Hafen und Zentrum von Paros: Männer schlottern fast nackt am Kreuz, umringt von Legionären: Vor allem die Jugend wetteifert an Karfreitag um die aufwendigste Inszenierung des Kreuzweges, während die Gläubigen bei Prozessionen die reich geschmückten Ikonen vorbeitragen. Es ist der düstere Vorlauf vor dem großen Fest in der Osternacht. Und vor der Freude des Ostersonntags, wenn sich die Familien versammeln und wenn der Fischerhafen des mondänen Urlaubsortes Naoussa im Norden von Paros zur Party-Meile wird. Und die Ostereier? Die werden hier nicht versteckt, sondern sie werden rot gefärbt und gegeneinander gedrückt – der letzte Besitzer eines heilen Eis ist der amtliche Glückspilz des Jahres.
Nachbar Dimitris sitzt am Sonntag mit der weit
verzweigten Großfamilie beim Ostermahl, das obligatorische Lamm dreht sich auf dem Spieß. „Germanos!!“, Deutscher!!, ruft Anna, die Schwägerin, rüber und ich ducke mich instinktiv. Weil Anna ziemlich kolossal ist. Weil sie aktive Kommunistin ist. Und weil ihr Respekt für den Umgang deutscher Politiker mit ihrer Heimat höchst überschaubar
ist. Aber mag ja sein, dass Schäuble ein Schuft ist: Nun ist er weit weg im kalten Berlin und Anna mag die Deutschen auf Paros, die Gäste und die Touristen und so trinkt man dann noch ein paar Gläser vom eigenen Wein.
Nicht jeder hat Familie und Freunde auf den Inseln und so bieten manche Restaurants für Touristen ein
Oster-Menü mit all jenen Köstlichkeiten, die am Ende der Fastenzeit so aufgetischt werden: Koukouretsi, der Spieß aus Innereien, Magiritsa, die reichhaltige Ostersuppe mit Gemüse, Leber und weiteren Zutaten, die man gar nicht so genau wissen will. Und natürlich die Lämmer und Zicklein – Vegetarier halten sich lieber an den Insel-Käse und die Gemüseteller.
Unten im Hafen liegen zwei Fähren – eine nach Syros, eine nach Naxos. Die Kykladen liegen dicht an dicht, man kann rüber gucken und landet dann doch in einer ganz anderen Welt. „Weißt Du, dass die da ganz andere Osterbräuche haben?“, fragt Dimitris. Wusste ich nicht – und mache Pläne fürs nächste Jahr.