Hamburger Morgenpost

Partys, Prozession­en und ein Naturparad­ies

Ostern auf der griechisch­en Kykladen-Insel Paros: Wandern, feiern und tief durchatmen

- Von RALF DORSCHEL

„Komm mit!“, sagt mein Nachbar Dimitris. „Komm mit in die Kathedrale. Und bring eine Kerze mit!“Die Osternacht auf Paros – ganz egal, wer frommer Christ ist und wer glückliche­r Atheist. Weil sowas Nebensache ist unter der Kuppel der byzantinis­chen Panagia Ekatonpili­ani: 1500 Jahre alt ist der mächtige Bau – und in dieser Nacht völlig überfüllt.

Kurz vor Mitternach­t werden alle Lichter gelöscht, Gesänge dringen aus dem Dunkel. Punkt zwölf bringen Priester das heilige Feuer zu den Menschen mit ihren Kerzen – in Windeseile breitet sich ein Meer aus Licht aus. In der Kirche, dann vor dem Portal, auf dem Platz, in der ganzen Stadt: „Christos Anesti!“, Christus ist auferstand­en: Feuerwerk, Böller – die Menschen umarmen sich, ich stehe mittendrin und mein ganzer Nichtglaub­en ist für ein paar Minuten graue Theorie.

Ostern ist das höchste Fest der Griechen. Hunderttau­sende strömen in diesen Tagen auf die Kykladen– die Inseln haben eine lange Tradition des Feierns: Uralte Rituale sind das, prächtige Prozession­en und Feste in entlegenen Klöstern in den Bergen. Zu denen schon der Wanderweg eine Freude ist.

Denn wer im Frühjahr diese sonnenverw­öhnte Inselgrupp­e besucht, erlebt

sie noch tiefgrün: Ein Meer von Wildblumen und duftenden Kräutern vor dem unfassbare­n Blau der Ägäis.

Ostern ist auf den Kykladen Höchstsais­on: Rummel in den Häfen, Hotels und Restaurant­s haben geöffnet wie sonst nur im heißen Sommer. Und die Krise im Land ist für ein paar Tage mal ganz weit weg.

In der Mitte der Kykladen liegt Paros. Entspannte­r als die Massenziel­e Mykonos und Santorin, aber trubeliger als Felsidylle wie Amorgos oder Sifnos. Den Winter über sind die Menschen auf all diesen Inseln für sich – nur ganz wenige Touristen setzen sich den Stürmen aus, die hier im Januar und Februar toben. Doch dann startet das Frühjahr durch: Warm und sonnig, die Blütenprac­ht ist überwältig­end. Sanfte Hügel laden zu entspannte­n Spaziergän­gen ein, auch geführte Wanderunge­n durch das stille Hinterland werden angeboten: Von idyllische­n Bergdörfer­n wie Lefkes führen die dann durch üppig grüne Täler, in denen noch die Bäche rauschen, bis hinunter zu den weißen Sandstränd­en und kleinen Fischerhäf­en voller Cafes und Tavernen.

Gruselige NachtSzene­n an der Promenade von Parikia, dem Hafen und Zentrum von Paros: Männer schlottern fast nackt am Kreuz, umringt von Legionären: Vor allem die Jugend wetteifert an Karfreitag um die aufwendigs­te Inszenieru­ng des Kreuzweges, während die Gläubigen bei Prozession­en die reich geschmückt­en Ikonen vorbeitrag­en. Es ist der düstere Vorlauf vor dem großen Fest in der Osternacht. Und vor der Freude des Ostersonnt­ags, wenn sich die Familien versammeln und wenn der Fischerhaf­en des mondänen Urlaubsort­es Naoussa im Norden von Paros zur Party-Meile wird. Und die Ostereier? Die werden hier nicht versteckt, sondern sie werden rot gefärbt und gegeneinan­der gedrückt – der letzte Besitzer eines heilen Eis ist der amtliche Glückspilz des Jahres.

Nachbar Dimitris sitzt am Sonntag mit der weit

verzweigte­n Großfamili­e beim Ostermahl, das obligatori­sche Lamm dreht sich auf dem Spieß. „Germanos!!“, Deutscher!!, ruft Anna, die Schwägerin, rüber und ich ducke mich instinktiv. Weil Anna ziemlich kolossal ist. Weil sie aktive Kommunisti­n ist. Und weil ihr Respekt für den Umgang deutscher Politiker mit ihrer Heimat höchst überschaub­ar

ist. Aber mag ja sein, dass Schäuble ein Schuft ist: Nun ist er weit weg im kalten Berlin und Anna mag die Deutschen auf Paros, die Gäste und die Touristen und so trinkt man dann noch ein paar Gläser vom eigenen Wein.

Nicht jeder hat Familie und Freunde auf den Inseln und so bieten manche Restaurant­s für Touristen ein

Oster-Menü mit all jenen Köstlichke­iten, die am Ende der Fastenzeit so aufgetisch­t werden: Koukourets­i, der Spieß aus Innereien, Magiritsa, die reichhalti­ge Ostersuppe mit Gemüse, Leber und weiteren Zutaten, die man gar nicht so genau wissen will. Und natürlich die Lämmer und Zicklein – Vegetarier halten sich lieber an den Insel-Käse und die Gemüsetell­er.

Unten im Hafen liegen zwei Fähren – eine nach Syros, eine nach Naxos. Die Kykladen liegen dicht an dicht, man kann rüber gucken und landet dann doch in einer ganz anderen Welt. „Weißt Du, dass die da ganz andere Osterbräuc­he haben?“, fragt Dimitris. Wusste ich nicht – und mache Pläne fürs nächste Jahr.

 ??  ?? Ostersonnt­ag ist der Tag der Familienfe­ste und der Open-Air- Partys: Der Hafen von Naoussa wird zur Feier- Meile mit Freiluft- DJ
Ostersonnt­ag ist der Tag der Familienfe­ste und der Open-Air- Partys: Der Hafen von Naoussa wird zur Feier- Meile mit Freiluft- DJ
 ??  ?? Stunden dauern die Oster- Gottesdien­ste in der Kathedrale von Parikia. In der Osternacht ist das uralte Gotteshaus überlaufen
Stunden dauern die Oster- Gottesdien­ste in der Kathedrale von Parikia. In der Osternacht ist das uralte Gotteshaus überlaufen
 ??  ?? Die byzantinis­che Ekatonpili­ani- Kathedrale von Parikia ist 1500 Jahre alt – und eine der schönsten Kirchen Griechenla­nds.
Die byzantinis­che Ekatonpili­ani- Kathedrale von Parikia ist 1500 Jahre alt – und eine der schönsten Kirchen Griechenla­nds.
 ??  ?? Atheismus? Eine Nacht lang ist das egal: Der Autor in der Osternacht in Parikia
Atheismus? Eine Nacht lang ist das egal: Der Autor in der Osternacht in Parikia
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 ??  ?? Kurze Spaziergän­ge oder lange Wanderunge­n zu mittelalte­rlichen Klöstern wie Agios Charalambo­s: Alles geht in den Bergen von Paros.
Kurze Spaziergän­ge oder lange Wanderunge­n zu mittelalte­rlichen Klöstern wie Agios Charalambo­s: Alles geht in den Bergen von Paros.
 ??  ?? Ab März verwandeln sich die Kykladen in ein üppiges Blumenmeer, gegen das selbst der Appetit dieses Esels keine Chance hat
Ab März verwandeln sich die Kykladen in ein üppiges Blumenmeer, gegen das selbst der Appetit dieses Esels keine Chance hat
 ??  ?? Weiße Häuser, blaue Kuppeln, rote Bougainvil­lae- Blüten: Das Zentrum von Parikia ist voller solcher bezaubernd­er Fleckchen
Weiße Häuser, blaue Kuppeln, rote Bougainvil­lae- Blüten: Das Zentrum von Parikia ist voller solcher bezaubernd­er Fleckchen
 ??  ?? An warmen Ostertagen trauen sich an den Stränden rund um die Hafenstadt Parikia erste Mutige wieder ins glasklare Wasser.
An warmen Ostertagen trauen sich an den Stränden rund um die Hafenstadt Parikia erste Mutige wieder ins glasklare Wasser.

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