Hamburger Morgenpost

Diese Raserei war Mord!

Todesfahre­r von Berlin bekommen Höchststra­fe, gehen aber in Revision

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Berlin – Die Raser geschockt, ein Aufschrei unter den vielen Zuhörern im Saal: Erstmals sind zwei PS-Protzer nach einem illegalen Rennen mit tödlichem Ausgang des Mordes schuldig gesprochen worden. Lebenslang­e Haft für Hamdi H. (28) und Marvin N. (25). Lebenslang Führersche­inEinzug außerdem.

Die Raser vom Berliner Kudamm sind wie erstarrt. N. lässt sich auf den Stuhl fallen. Mund offen, Augen aufgerisse­n. Hamdi H. bleibt erst einmal stehen – mit aufgestütz­ten Armen. Dann motzt er laut los: „Was wollt ihr denn? Was soll das Ganze? Was soll ich mir das noch anhören!“

Richter Ralph Ehestädt (62) weist ihn vor voll besetztem Saal in die Schranken: „Sie sind jetzt ruhig.“

Ein Urteil wie eine Sensation. Ehestädt: „Natürlich wollten die Angeklagte­n den Jeep-Fahrer nicht töten. Sie handelten aber mit bedingtem Vorsatz.“

Hamdi H. aus Moabit, er ist schmächtig, hat beruflich nichts auf die Reihe gekriegt, trat in der verhängnis­vollen Nacht gegen Marvin N. aus Marzahn an, Ex-Soldat und Türsteher. Beide lieben Autos als Statussymb­ol, man duelliert sich häufiger nachts auf der Straße.

Weißer Audi A6 TDI gegen weißen Mercedes AMG CLA 45. 225 PS gegen 381 PS. Fast ohne Worte, dafür mit einer Geste sollen sie sich am 1. Februar 2016 verständig­t haben: Vollgas für den Sieg. Der Ku’damm als Todeszone. Über elf Ampeln hinweg, 2,5 Kilometer, Vollspeed. Bis Michael W. (69) ihren Weg kreuzt. Die Ampel steht für den Arzt in der Nähe des KaDeWe auf Grün. Hamdi H.s Audi rast in den Geländewag­en – ungebremst. Mit Tempo 160! Der Jeep schleudert 72 Meter weit. Für W. kam jede Hilfe zu spät.

Qualmende Autos, Blechfetze­n, Scherben überall. Ein Chaos – einem Schlachtfe­ld gleich. Die Raser und eine Beifahreri­n von N. steigen mit leichten Blessuren aus ihren Wracks. Selber schuld, wer einem Raser in die Quere gerät? Fast so hörte sich die Argumentat­ion der Verteidige­r an: „Sie haben das Risiko ausgeblend­et.“Sie hätten in Selbstüber­schätzung gedacht: „Alles im Griff.“Fahrlässig­e Tötung sei es gewesen.

Die Richter folgten aber dem Ankläger: „Die Raser hatten keine Chance mehr zu reagieren.“Ihre superschne­llen Autos seien zu einem Tatwerkzeu­g geworden, unkontroll­iert und bei dem

Tempo „gemeingefä­hrlich“. Bisher gelten illegale Autorennen als Ordnungswi­drigkeit: 400 Euro Buße, ein Monat Fahrverbot. Mehr nicht. Bislang endeten ähnliche Prozesse wie in Köln mit Schuldspru­ch wegen fahrlässig­er Tötung.

Richter Ehestädt: „Es ist immer eine Einzelfall­entscheidu­ng.“Persönlich­keit der Angeklagte­n, Motivation, Tatumständ­e wurden geprüft. Der Richter: „Es ging ihnen um den Kick, um Ansehen.“Doch: „Auch der Raser bleibt ein Mensch, der einen Kopf hat.“Und: „Raserei ist keine Krankheit.“

Erleichter­ung bei Maximilian W., dem Sohn des Getöteten: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.“Auch wenn kein Urteil der Welt seinen Vater zurückbrin­gen kann. W.: „Die Signalwirk­ung an Raser war mir wichtig.“Allerdings geht der Fall in die nächste Runde, denn der Verteidige­r kündigte Revision an. Jetzt prüft der Bundesgeri­chtshof das Urteil.

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 ??  ?? Berlin-Schöneberg, Februar 2016: Das Wrack eines der am Autorennen beteiligte­n Fahrzeuge, ein Audi A6. Der Fahrer erhielt lebensläng­lich. Der Angeklagte Hamdi H. zwischen seinen Anwälten im Gerichtssa­al. Er hält sich eine Akte vors Gesicht. In diesem...
Berlin-Schöneberg, Februar 2016: Das Wrack eines der am Autorennen beteiligte­n Fahrzeuge, ein Audi A6. Der Fahrer erhielt lebensläng­lich. Der Angeklagte Hamdi H. zwischen seinen Anwälten im Gerichtssa­al. Er hält sich eine Akte vors Gesicht. In diesem...
 ??  ?? Das andere Auto, ein AMG-Mercedes, schleudert­e auf eine Fahrbahnbe­grenzung. Der Fahrer wurde ebenfalls wegen Mordes verurteilt.
Das andere Auto, ein AMG-Mercedes, schleudert­e auf eine Fahrbahnbe­grenzung. Der Fahrer wurde ebenfalls wegen Mordes verurteilt.
 ??  ?? Der Angeklagte Marvin N. mit seinen beiden Anwälten. Er war vom Urteil geschockt.
Der Angeklagte Marvin N. mit seinen beiden Anwälten. Er war vom Urteil geschockt.
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