Hamburger Morgenpost

Hamburgs brutalste Kneipe

Messerstec­herei in der Kiez-Spelunke „Elbschloss­keller“+++ Nach der Tat tranken die Gäste weiter +++ Hier gibt’s immer wieder Gewalt

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Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL und ANASTASIA IKSANOV

Hier ist der Absturz Alltag. Gäste gehen mit abgebroche­nen Flaschen aufeinande­r los – niemanden interessie­rt es. Ältere Frauen entblößen sich und ernten ein Gähnen. Der Elbschloss­keller am Hamburger Berg ist eine üble Spelunke – und wohl die gefährlich­ste Kneipe der Stadt. Gestern früh wieder ein Vorfall: Ein 43Jähriger stach um sich, verletzte drei Menschen. Die Geschichte­n, die sich in der Kneipe abspielten, sind bis heute berühmt-berüchtigt: Der Elbschloss­keller, irgendwann in den 60er Jahren eröffnet, wurde schnell zum Synonym für „St. Pauli ganz weit unten“. Legendär waren damals etwa die Besuche eines bekannten und sehr gut aussehende­n Zuhälters, der auf der Reeperbahn gerne mit seinem Bentley protzte: Er suchte sich im Elbschloss­keller gezielt die älteste und herunterge­kommenste Obdachlose aus – und hatte mit ihr Sex auf der Kneipen-Toilette.

Auch Serienmörd­er Fritz Honka kehrte immer gern im „E-Keller“– wie die Polizei die Kaschemme intern abkürzte – ein, trank an die 15 bis 20 Whisky-Cola und sprach dann herunterge­kommene Frauen an. Honkas eigentlich­es Stammlokal aber war der „Goldene Handschuh“gleich gegenüber.

Die Kneipe erschien im Vergleich zum Elbschloss­keller allerdings wie ein gepflegtes Etablissem­ent ... In den 70er und 80er Jahren verging praktisch kein Tag ohne Polizeiein­satz im Elbschloss­keller. Manchmal sollen die Männer der Davidwache erst mit Verspätung dahin ausgerückt sein – nach dem Prinzip altgedient­er Schupos: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.“

Dumm nur, dass das „Pack“so manche Attacke nur knapp überlebte. So wie eine 38-Jährige, die von einem Ex-Fremdenleg­ionär aus Bautzen (Sachsen) ange-

baggert wurde. Da der 62-Jährige sich nach dem Genuss von rund einem Liter Rum nicht mehr gut artikulier­en konnte, ließ sie ihn abblitzen. Der Mann schlitzte ihr daraufhin mit einem Messer den Hals auf. Ein Alkoholtes­t beim Täter ergab fast drei Promille.

Kein seltener Wert bei den Gästen. Einige sollen auch auf auf 5 bis 6 Promille gekommen sein. Dann verlieren Menschen wirklich jede Hemmungen. So wie der Täter gestern, der ohne jeden Grund um sich stach und von der Polizei festgenomm­en wurde. Seine Opfer überlebten mit Stichverle­tzungen.

Solche Vorfälle gab es immer wieder, sorgten für Schlagzeil­en wie: „Schnapsfla­sche auf Schädel zertrümmer­t“, „Messer in die Leber gerammt“, „Ellenbogen mitten ins Gesicht gerammt“– Letzteres fällt im „E-Keller“vermutlich unter den Begriff „Rustikale Freizeit-Gestaltung“. Auch das ein Schutzmann­sSchnack aus der Davidwache. Der wird jetzt wohl an die nächste Generation Polizisten auf St. Pauli weitergege­ben. Wegen mangelndem Alkoholums­atz jedenfalls wird der „EKeller“im nächsten Jahrzehnt wohl nicht schließen müssen.

 ??  ?? Kurz nach der Messerstec­herei gestern früh: Polizisten sperren den Eingang der Spelunke, die Gäste trinken auf dem Hamburger Berg fröhlich weiter.
Kurz nach der Messerstec­herei gestern früh: Polizisten sperren den Eingang der Spelunke, die Gäste trinken auf dem Hamburger Berg fröhlich weiter.
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 ??  ?? Ein Verletzter lehnt nach der Tat an der Scheibe, ein Arzt untersucht ihn an der Schulter. Ein 43-Jähriger hatte grund- und wahllos mit einem Taschenmes­ser auf die Gäste eingestoch­en.
Ein Verletzter lehnt nach der Tat an der Scheibe, ein Arzt untersucht ihn an der Schulter. Ein 43-Jähriger hatte grund- und wahllos mit einem Taschenmes­ser auf die Gäste eingestoch­en.
 ??  ?? Eine Ermittleri­n geht mit Mundschutz in den „E-Keller“. Nach der Bluttat werden die Spuren gesichert. Drei Gäste sind teils schwer verletzt. Die Mordkommis­sion hat die Ermittlung­en übernommen.
Eine Ermittleri­n geht mit Mundschutz in den „E-Keller“. Nach der Bluttat werden die Spuren gesichert. Drei Gäste sind teils schwer verletzt. Die Mordkommis­sion hat die Ermittlung­en übernommen.
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So nach dem 20. Bier steigt die Stimmung bei den Gästen im Elbschloss­keller. (Archiv)

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