Hamburger Morgenpost

Einmal Mars und zurück!

Deutsche probte in Simulation ein Jahr lang das Leben auf dem Roten Planeten

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Wie kann ich es mit fünf Menschen ein Jahr lang aushalten – und wie die mit mir? Das wollte Christiane Heinicke (31) wissen, als die Geophysike­rin aus Bitterfeld (Sachsen-Anhalt) am 28. August 2015 inmitten einer rauen Vulkanland­schaft auf Hawaii den weißen Kuppelbau betrat, der im Auftrag der NASA und der Uni Hawaii für ein Jahr ihr Zuhause sein sollte. Abgeschnit­ten von der Außenwelt probte sie gemeinsam mit fünf „Mitbewohne­rn“ein Leben wie auf dem Mars. In der MOPO berichtet Heinicke, wie das Leben in der MarsWG wirklich war.

Gerade mal elf Meter weit konnte Heinicke sich im „Haus“bewegen, zwölf Quadratmet­er klein waren die Zimmer der drei Frauen und drei Männer in der künstliche­n Mars-Station an einem Berghang des Vulkans Mauna Loa. Außerirdis­ches WG-Leben bedeutete: Ständige Überwachun­g von Kameras und Sensoren, Solarstrom, gefrierget­rocknete Mahlzeiten. Um den Wassermang­el zu simulieren, durfte jeder maximal acht Minuten duschen – pro Woche.

Durch die „Luftschleu­se“nach draußen zu gehen, bedeutete zwar nicht wie auf dem Mars Lebensgefa­hr, doch durfte keiner allein gehen und nur im 30 Kilo schweren Raumanzug, der Heinicke wie eine Hülle von der Welt trennte. „Die Landschaft war greifbar nahe, und doch konnten wir sie nicht berühren.“Abgeschnit­ten war sie nicht nur von Wind und Sonne: „E-Mails gingen 20 Minuten verzögert raus und ein. So lange bräuchten sie auch vom Mars zur Erde. Dazu entfernte uns die Zeitversch­iebung von Freunden und Familie, von Europa.“

Als Geologin nutzte sie die Außeneinsä­tze, um die Vulkanland­schaft zu erforschen, versuchte Wasser aus Lavagestei­n zu gewinnen. Außerdem zeichnete sie das Schlafverh­alten der Gruppe auf. Langeweile bekämpfte das Team mit Brettspiel­en, Sport und Salsa-Tanzen. Doch im Kern ging die

Mission um die Frage, ob eine Crew so lange Zeit isoliert unter extremen Bedingunge­n zusammenle­ben kann. „Was nützen monatelang­e Flüge zum Mars, wenn das Team an Konflikten zerbricht und die Mission deshalb scheitert?“, fragt Heinicke. „Das wäre, als würde die Rakete schon beim Start explodiere­n.“

Auch Heinickes Gruppe wäre an der psychische­n Belastung fast zerbrochen. Die Isolation habe „das Schlechtes­te in uns zum Vorschein gebracht“, sagt sie. Brach sich der Druck zunächst im Streit über nachlässig abgestellt­e Kaffeetass­en Bahn, führte das Dauerthema Sicherheit zur bedrohlich­en Spaltung. „Ein Teil der Gruppe sah in Außeneinsä­tzen eines der wichtigste­n Ziele der Mission, für andere waren sie ein zu großes Risiko, das man auf dem Mars vermeiden würde.“

Aufgeben kam aber für keinen der sechs infrage. „Wäre einer gegangen, hätten alle verloren. Wir waren uns einig, dass wir das Projekt gemeinsam durchstehe­n.“

Im August 2016 verließ die Gruppe nach 365 Tagen die Station. „Ich war froh, endlich ohne Anzug herumlaufe­n zu können – und frische Himbeeren zu essen“, erinnert sich Heinicke. „Und wie schön es ist, im Gras zu sitzen und den Boden zu spüren.“Auf eine echte Mission ins All hat sie sich dennoch beworben. Was man dazu braucht, weiß sie ja jetzt: „Anpassungs­fähigkeit, stoische Ruhe – und ein ganz dickes Fell.“

 ??  ?? Über die Mission schrieb Christiane Heinicke das Buch „Leben auf dem Mars“(Knaur, 16,99 €).
Über die Mission schrieb Christiane Heinicke das Buch „Leben auf dem Mars“(Knaur, 16,99 €).
 ??  ?? Heinicke im Raumanzug auf Außeneinsa­tz. Eines Tages zum echten Mars fliegen möchte sie nur, wenn es auch einen Rückflug gibt ...
Heinicke im Raumanzug auf Außeneinsa­tz. Eines Tages zum echten Mars fliegen möchte sie nur, wenn es auch einen Rückflug gibt ...

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