„Unsere Zuschauer zahlten mit Briketts“
Helga Bischoff (90): „Ich war damals 20 Jahre alt, arbeitete als Tänzerin am Flora-Theater im Schanzenviertel – und während der Vorstellungen war es bitterkalt im Zuschauerraum. Wir hatten ja so gut wie kein Brennmaterial. Es gab einfach nix! Deshalb zahlten unsere Zuschauer damals auch Theaters. Die Verantwortlichen aller drei Häuser baten Bürgermeister Max Brauer (SPD) um eine Sonderzuteilung an Kohle, denn der Frost drohte die Bühnentechnik irreparabel zu beschädigen. Als Brauer ablehnte und sich die Häuser gezwungen sahen, sich selbst um Kohle zu bemühen, hatte das Folgen bis heute: Weil sich die „Zeche Ludwig“in Recklinghausen bereit erklärte zu helfen – und das auch noch heimlich, ohne Wissen der britischen Besatzer –, revanchierten sich die Bühnen im Sommer 1947 mit einem mehrtägigen Gastspiel – die Geburtsstunde der „Ruhrfestspiele“.
Nach offiziellen Angaben forderte der Hungerwinter in Hamburg 85 Menschenleben. Allerdings wurden bei dieser Statistik nur diejenigen mitgezählt, die erfroren sind, nicht aber die vielen, die kälte- und hungerbedingten Krankheiten erlagen. Heute gehen Experten davon aus, dass es damals wahrscheinlich mehr als 1000 Todesopfer gab.
Am 19. März 1947 fielen die Temperaturen erstmals in diesem Winter nicht unter die NullGrad-Marke. Erste Sonnenstrahlen ließen den Frühling erahnen, und die leidgeprüften Menschen konnten sich glücklich schätzen: „Wir sind noch mal davongekommen.“Thornton Wilders gleichnamiges Stück war dann auch das erste nach dem Ende des Katastrophenwinters, das die Kammerspiele auf den Spielplan setzten. Ein Zufall? Sicher nicht. nicht mit Geld, sondern mit einem Eintritts-Brikett. Und nach Ende der Vorstellung wurden wir vom Publikum nicht etwa mit Blumen beschenkt, sondern mit Butter, Käse und Brot. Darüber waren wir glücklich, kann ich Ihnen sagen. Denn uns allen knurrten ja so die Mägen!“