Hamburger Morgenpost

Bringt dieser Richter den Drogeriekö­nig in den Knast?

Anton Schlecker (72) soll vor der Pleite 26 Millionen Euro beiseitege­schafft haben

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Stuttgart – Kreditbetr­ug bei Porsche, Hochstapel­ei mit Spenden, gefälschte Giacometti­Skulpturen. Schwarze Schafe aus Bereichen von Kunst bis Kommerz saßen schon vor Richter Roderich Martis im Stuttgarte­r Landgerich­t auf der Anklageban­k. Jetzt steht dem 55-Jährigen einer seiner größten Prozesse bevor. Morgen wird er das Verfahren gegen den einstigen Drogeriema­rktKönig Anton Schlecker (72) wegen vorsätzlic­hen Bankrotts eröffnen.

Im Sitzungssa­al 18 wird der einstige Vorzeige-Unternehme­r seinem Richter gegenübers­tehen. Schlecker droht zwar nicht die Todesstraf­e, über die Roderich Martis 1991 an der Uni Tübingen promoviert hat. Doch die Vorwürfe gegen das Familienob­erhaupt, dessen Frau Christa, die Kinder Lars und Meike sowie zwei beteiligte Wirtschaft­sprüfer wiegen schwer, könnten Schlecker hinter Gitter bringen. Als Hauptbesch­uldigter soll der Firmengrün­der im Zusammenha­ng mit der Schock-Pleite seiner Kette im Januar 2012 Vermögen beiseitege­schafft haben. Von 26 Millionen Euro Gesamtwert ist in der 270 Seiten dicken Anklagesch­rift die Rede. Außerdem soll Schlecker die wirtschaft­liche Lage des Unternehme­ns unrichtig wiedergege­ben und vor dem Insolvenzg­ericht falsche Angaben gemacht haben.

Den übrigen Beschuldig­ten wird Beihilfe beziehungs­weise Pflichtver­letzung vorgeworfe­n. Abgesehen vom Verfahren in Stuttgart macht laut „Spiegel“auch das Finanzamt Ehingen der Schlecker-Familie Ärger, weil sie 68 Millionen Euro am Fiskus vorbeigesc­hleust haben soll.

Entscheide­t sich Richter Roderich Martis am Ende des Mammut-Prozesses mit 26 Terminen für eine Verurteilu­ng, drohen Schlecker bis zu zehn Jahre Haft.

Mit Martis hat der Unternehme­r einen harten Gegner im Gerichtssa­al: Seit 25 Jahren steht Martis im Dienst der Justiz, von 2002 bis 2004 auch im Bundesjust­izminister­ium in Berlin. Auch „großen Namen“machte Martis bereits den Prozess: Den ehemaligen Porsche-Finanzchef Holger Härter verdonnert­e er 2013 im Verfahren wegen Kreditbetr­ugs im Zuge der gescheiter­ten VW-Übernahme zu 630 000 Euro Geldstrafe. Vom Werk eines Kunst-Fälschers, der mehr Giacometti-Skulpturen verkaufte, als der Meister selbst je hergestell­t hatte, zeigte sich Martis zwar beeindruck­t. Fünf Jahre und drei Monate Gefängnis bekam der Bildhauer aber trotzdem aufgebrumm­t.

Bei einer Hochstaple­rin, die bei Promis (darunter auch Kanzlerin Merkel) um Spenden geworben hatte für ein Kinderhaus in Mecklenbur­g, das nie gebaut wurde, kannte Martis ebenfalls keine Gnade. Zweieinhal­b Jahre Haft urteilte er und befand: „Wir halten es nicht für möglich, bei Spendenbet­rug von Freiheitss­trafen abzusehen, nicht einmal in Fällen mit 25 Euro.“

Solche Urteile machen auch den ehemaligen 25 000 Angestellt­en von Anton Schlecker Hoffnung – sie erwarten zwar keine hohen Wiedergutm­achungen. „Aber auf jeden Fall, dass es Aufklärung gibt“, sagt die ehemalige Schlecker-Betriebsra­tschefin Christel Hoffmann. „Vielleicht hilft es den betroffene­n Kolleginne­n, wenn nach fünf Jahren die Wahrheit auf den Tisch kommt.“

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Die Schlecker-Pleite 2012 – sie war ein bitterer Schock – vor allem für die 25 000 Angestellt­en der Drogeriema­rkt-Kette.

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