Die Nieten der Elphi-Lotterie
Trommel-Konzert oder Elektro-Abend: Auch skurrile Shows sind ausverkauft
Alle wollen rein. In die Elbphilharmonie. Und zwar nicht nur auf die Plaza, nicht nur einmal gucken – sondern dabei sein, den Klang erleben. Wenn das bloß so einfach wäre …
Der Ansturm auf das Konzerthaus führt zu skurrilen Situationen: Wer in der Schlange vor der Kartenkasse steht und keine Tickets mehr für sein Wunschkonzert bekommt, nimmt halt, was noch zu haben ist. Egal welcher Künstler, egal welcher Musikstil. Hauptsache, Elphi. Ein Kollege wird sich etwa im Juni ein Trompetenkonzert anhören – was er selbst durchaus amüsant findet.
Die – begrüßenswerte – Vielfalt des Elphi-Programms bietet eben auch eindeutige „Special Interest“-Themen, Konzerte für ein Nischenpublikum. Statt lauschiger Mozart-Klänge erwarten die Zuschauer eben auch die durchaus anstrengende Minimalmusik eines Steve Reich (11.5.), ein ghanaischer TrommelAbend (13.5.), Flamencoklänge auf der Gitarre (28.5.) oder avantgardistische Elektro-Musik (29.6.). All das hat seine absolute Berechtigung – landet aber womöglich beim völlig falschen Publikum. Oder umgekehrt: Das falsche Publikum landet im falschen Konzert.
Man könnte das als heiteres Experiment betrachten: Die Zuhörer werden mit ganz neuen Klangwelten konfrontiert, lernen dazu, entdecken vielleicht etwas völlig Neues für sich.
Für die Musiker dürfte die Situation aber noch befremdlicher sein: Sie spielen vor einem Publikum, das vermutlich gar nicht ihretwegen gekommen ist. Womöglich nichts über sie und ihre Musik weiß. Sänger Kurt Wagner von der Indieband Lambchop, die kürzlich im Großen Saal spielte, kommentierte das mit skeptischem Blick auf das Publikum, das größtenteils in schnieker KlassikMontur gekommen war. „Der Großteil von euch hat vermutlich noch nie von uns gehört“, scherzte er. Die Zuhörer lachten selbstironisch. Unangenehmer – und unhöflicher – wird es, wenn Leute früher gehen. Schon beim Eröffnungskonzert im Januar schlichen sich in der Pause eine Handvoll elegant gekleideter Paare leise davon. Am zweiten Abend noch mal eine Handvoll mehr. Die Neugier war gestillt – wozu bleiben?
Aus Anstand! Wer das Glück hat, Karten zu ergattern und vorab weiß, dass die Stilrichtung eigentlich nicht den eigenen Geschmack trifft, sollte ganz bewusst diese Chance nutzen und offen für Neues sein. Auch wenn es iranische Volksweisen sind. Womöglich hätten Tausende gern in genau diesem Konzert gesessen – also zuhören, applaudieren, die Künstler wertschätzen und bis zum Ende durchhalten und die Elphi genießen.
Die Leute kaufen Tickets, ganz egal für welches Konzert.