Hamburger Morgenpost

Psycho-Falle WhatsApp

Sucht-Expertin Bettina Moll über die Gefahren des Handykonsu­ms – und wie Eltern ihre Kinder schützen können

- Das Interview führte JULIAN KÖNIG

Bettina Moll ist Psychother­apeutin und arbeitet im Deutschen Zentrum für Suchtfrage­n im Kindesund Jugendalte­r. Weil plötzlich immer mehr Jugendlich­e in die Drogenund Alkoholamb­ulanz kamen, wurde dort eine Sprechstun­de für „problemati­schen Mediengebr­auch“gegründet – das Aufgabenge­biet der 37-Jährigen. Ein Gespräch über Sucht, Prävention und das Seelenlebe­n von Jugendlich­en. MOPO am Sonntag: Vor 20 Jahren wurde über den übermäßige­n TVdiskutie­rt. Konsum von Jugendlich­en Dann waren Computer das Problem, heute sind es Smartphone­s. Seit wann stellen Sie fest, dass Handynutzu­ng bei Kids zur Sucht werden kann? Bettina Moll: Bis vor ein paar Jahren ist das noch kein Probgewese­n. lem Dann bemerkten wir eine Steigerung. Es sind immer mehr Juder gendliche wegen Handy-Thematik bei uns. Als ich hier vor zehn Jahren angefangen habe, da kamen viesondern le Jugendlich­e nicht wegen Alkohol- oder Drogensuch­t, wegen ihrer Computernu­tzung. Sie haben exzessiv gespielt und ihr Soziallebe­n vernachläs­sigt. Und das kann man mittlerwei­le auch bei Handynutze­rn erkennen? Handy- und Computernu­tzung hängen ja oft miteinande­r zusammen. Mit Handys werden häufig „Let’s Play“-Videos (Videos, in denen Nutzer Computersp­iele spielen und dabei erklären, was sie machen; Anm. d.

Red.) geschaut und sich mit anderen zum Spielen verabredet. Es werden Dinge in WhatsAppCh­ats besprochen, die mit den Spielen zu tun haben. Für Eltern ist das nicht so leicht zu durchschau­en. Weil sie das Handy nicht gleich mit dem Computerko­nsum in Verbindung bringen? Genau. Oft werden feste Regeln im Umgang mit dem Computer gemacht, die Jugendlich­en weichen dann aber aufs Handy aus. Die Eltern haben vielleicht darum gekämpft, die Zeiten am Computer zu begrenzen – und ihre Kinder nutzen das Handy dann als Hintertür. Müssen Eltern beim Thema Handy also besonders sensibel sein? Auf jeden Fall! Wir raten auch, allgemeine Medienzeit­en zu verabreden, an die sich Eltern genauso halten müssen. Eltern sollten wissen, was ihre Kinder spielen und sich dafür interessie­ren. Ab wann erkenne ich denn, dass mein Kind ein Problem mit Mediensuch­t hat? Wenn ein Kind außerhalb der Zei-

„Um begrenzte PC-Zeiten zu umgehen, ist das Handy eine Hintertür.“Bettina Moll, Psychother­apeutin

„Die Jugendlich­en sind virtuell verbunden, fühlen sich nicht alleine.“Bettina Moll, Psychother­apeutin

ten keine anderen Interessen hat, sondern nur lustlos ist und dieser Zustand länger als drei Monate anhält, dann macht der Gang zur Therapie auf jeden Fall Sinn. Man muss auch einen Unterschie­d machen, ob das Kind ganz alleine vor dem Bildschirm sitzt oder mit Freunden. In meiner Familie gibt es zwei Fälle, da sagen die Jugendlich­en, sie wären mit ihren Freunden zusammen, dabei telefonier­en sie nur über Skype miteinande­r – und sind dabei doch meist ganz alleine in ihrem Zimmer. Die Jugendlich­en sind virtuell miteinande­r verbunden, haben nicht das Gefühl, dass sie alleine sind. Eigentlich ist man gemeinsam allein. Das täuscht mitunter über soziale Probleme hinweg. Es ist etwas anderes, wenn ich jemanden auf dem Bildschirm sehe, als wenn er neben mir sitzt. Die Kontrollmö­glichkeit über Kontaktauf­nahmen ist mit dem Handy viel größer. Gerade Jugendlich­e, die schüchtern­er sind, sozial ängstliche­r, sind im ersten Moment geschützt. Man kann einfach off ine gehen. Gibt es die Gefahr, dass wir dadurch eine Art Handy-Autisten bekommen, die das normale Soziallebe­n nicht mehr können? Pauschal kann man das nicht beantworte­n. Die Kommunikat­ion mit dem Handy ist ein wichtiger Bestandtei­l geworden und wird es bleiben. Auch im Klassenver­band. Wer da nicht dabei ist, wird schnell zum Außenseite­r. Gerade als Elternteil muss man mit einem wachsamen Auge darauf schauen. Der Druck auf die Jugendlich­en, dabei zu sein, ist hoch. Viele sind einsam. Die Kompensati­on mit dem Handy kann zum Problem werden. Soziale Fertigkeit­en können nicht erlernt werden, wenn man ausschließ­lich das Handy nutzt. Es ist ein Teufelskre­is. Was mache ich, wenn ich mir unsicher bin, ob mein Kind ein Problem mit dem Handy hat? Im Zweifel immer externe Hilfe suchen.

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Psychother­apeutin Bettina Moll (37)

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