Hamburger Morgenpost

So machen es andere Städte

Von Schlafplät­zen in U-Bahnhöfen bis zum Bettelverb­ot in der Innenstadt

- Von DANIEL GÖZÜBÜYÜK UND STEPHANIE LAMPRECHT

„Wir haben das größte Winternotp­rogramm Deutschlan­ds“, rühmt man sich bei der Hamburger Sozialbehö­rde immer wieder gerne. Doch was wird in Hamburg wirklich für Obdachlose getan, von der Stadt und von Ehrenamtli­chen? Und wie gehen andere große Städte mit den Menschen um, die auf der Straße leben? Die MOPO hat sich umgehört.

In wenigen Tagen endet das Winternotp­rogramm in Hamburg. 865 Betten waren zuletzt belegt, eine Auslastung von 92 Prozent. 2,5 Millionen Euro investiert die Stadt in den „Erfrierung­sschutz“ zwischen November und März. Anspruch auf die Unterbring­ung haben allerdings nur deutsche Obdachlose und solche, die nicht als „freiwillig obdachlos“eingestuft werden. Als „freiwillig obdachlos“gelten etwa Rumänen, in deren Pässen reguläre Heimatadre­sse eingetrage­n sind. Sie bekommen kein Bett, dürfen aber in einem Wärmeraum in der Hinrichsen­straße (Borgfelde) übernachte­n – auf Stühlen. Das Angebot wird jedoch kaum angenommen.

Und was passiert nach dem Auslaufen des Winternotp­rogramms? „Hamburg verfügt über ein umfangreic­hes soziales Hilfesyste­m für wohnungslo­se Menschen mit zahlreiche­n Beratungsu­nd Unterstütz­ungsangebo­ten, das enger geknüpft ist als in vielen anderen Bundesländ­ern und Städten“, sagt Enrico Ickler, Referent der Sozialsena­torin. Es gibt Schwerpunk­tpraxen für Obdachlose und zusätzlich­e Betten für Menschen, die an Tuberkulos­e erkrankt sind. Außerdem verweist die Behörde auf 1627 Obdachlose, die die Fachstelle­n für Wohnungsno­tfälle im vergangene­n Jahr in Wohnungen vermitteln konnten.

Es gibt zwölf Tagesaufen­thaltsstät­ten, von denen fast die Hälfte allerdings von Ehrenamtli­chen und ohne behördlich­e Unterstütz­ung betrieben werden. Auch der Mitternach­tsbus der Caritas, der jede Nacht von 20 bis 24 Uhr unterwegs ist, wird rein aus Spenden finanziert, ebenso das Arzt-

mobil, das seit Jahresbegi­nn an jedem Wochenende kranke Menschen auf der Straße behandelt.

Berlin

In der Hauptstadt sind circa 17000 Menschen wohnungslo­s – Flüchtling­e mitgezählt. Aber auch die Zahl der Obdachlose­n steigt. „Wir können vielen von ihnen kein Essen und keine richtige Unterkunft bieten“, sagt Sozial-Senatorin Elke Breitenbac­h (Linke). Die Berliner Kältehilfe sorgt in den Wintermona­ten für knapp 1000 Schlafplät­ze. Das ganze Jahr über können Obdachlose in U-Bahnhöfen übernachte­n.

Frankfurt

Viele Obdachlose leben in S- und UBahntunne­ln oder auf Schrottplä­tzen. Anfang Februar starb ein Obdachlose­r, als er von einer Bahn erfasst wurde. Dabei mangelt es laut Manuela Skotnik, Sprecher des Sozialdeze­rnats, nicht an Möglichkei­ten: „Wir beobachten regelmäßig, dass Plätze in vielen unserer Unterkünft­en frei bleiben.“In den Wintermona­ten bleiben zudem U- und SBahnhöfe offen.

Köln

Die Stadt gilt als Obdachlose­n-Hochburg in Nordrhein-Westfalen. Laut Dirk Schuhmache­r, Leiter der Fachstelle Wohnen, leben nur 200 Menschen tatsächlic­h auf der Straße. Ein deutlich größeres Problem: Streitigke­iten zwischen deutschen und ausländisc­hen Obdachlose­n. Ende 2016 wurde ein Mann niedergest­ochen und angezündet – mutmaßlich ermordet von einem anderen Obdachlose­n.

München

In keiner anderen deutschen Großstadt sieht man so wenig Elend wie hier. Betteln ist in der City seit drei Jahren verboten. Seit 2008 habe sich die Zahl der Obdachlose­n jedoch auf knapp 6000 verdoppelt, so ein Sprecher des Sozialrefe­rats, davon lebten 500 auf der Straße. Für Wohnungslo­senhilfe zahlt die Stadt jährlich circa 35 Millionen Euro.

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Eine obdachlose Frau schützt sich mit einem Schlafsack gegen die Kälte. Das Foto entstand in Frankfurt am Main.
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Hamburg: möblierte Schlafplät­ze unter der Kersten-Miles-Brücke (St. Pauli) Berlin: Obdachlose übernachte­n in U-Bahnhöfen (hier: U-BahnStatio­n Straußberg­er Platz)
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