Hamburger Morgenpost

So lässt Hamburg die „Reichsbürg­er“auflaufen

Ermittlung­en und Prozesse: Hamburgs Justiz wehrt sich gegen die rechtsextr­eme Bewegung

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nen Gedanken, schlüpft in die Rolle des Geschichts­lehrers – und macht die Lektüre zu einem zähen Unterfange­n.

An anderer Stelle formuliert der Bürgermeis­ter jedoch wieder klar und knapp. Etwa dann, wenn er ein bedrohlich­es Zukunftssz­enario für den Fall skizziert, dass die europäisch­en Staaten künftig nicht zusammenha­lten werden. Der Frieden in Europa, resümiert der Bürgermeis­ter, sei nichts Selbstvers­tändliches.

Zuletzt drängt sich dann doch noch eine ganz unpolitisc­he Frage auf: Wann zum Teufel hat dieser Mann noch Zeit zum Schreiben? Denn Scholz hat die 219 Seiten tatsächlic­h selbst verfasst. Und zwar „am Küchentisc­h, in der Nacht und in den Ferien. Auf dem iPad“, wie er stolz erzählt. Mit seiner Frau Britta Ernst soll er den Plan im Voraus besprochen haben. Ihr hat er „Hoffnungsl­and“gewidmet: „Für Britta“steht auf der ersten Seite. Das ist dann doch sympathisc­h. In zwei Prozessen befasst sich die Hamburger Justiz kommende Woche mit der wirren Welt der „Reichsbürg­er“: In beiden Verfahren gehören die Angeklagte­n zu der Bewegung, nach deren Überzeugun­g die Bundesrepu­blik kein legitimer Staat ist.

Gegen einen dritten „Reichsbürg­er“ermittelt derzeit die Staatsanwa­ltschaft. Der Mann hatte versucht, Hamburger Richter mit absurden Inkassover­fahren zu drangsalie­ren.

Am Donnerstag stehen zunächst zwei Frauen vor Gericht. Der Vorwurf gegen eine 49-Jährige lautet auf Hausfriede­nsbruch. Die überzeugte Reichsbürg­erin hatte im Februar 2016 vor dem Amtsgerich­t St. Georg als Zuschaueri­n an einem Prozess gegen einen Anhänger der Bewegung teilgenomm­en. Als die Richterin, entnervt von den Störmanöve­rn der Zuhörer, den Saal räumen ließ, weigerte sich die Angeklagte zu gehen.

Im zweiten Prozess geht es um Urkundenfä­lschung: Eine 76-Jährige aus Schwerin hatte im Dezember 2015 versucht, am Hamburger Flughafen mit ihrem selbst gebastelte­n „Reichsbürg­er“-Pass durch die Kontrolle zu gehen. Flugziel:

Richtern wurden Inkasso-Unternehme­n auf den Hals gehetzt.

Malta.

Zu jener Zeit hatte die „Malta-Masche“bei den Reichsbürg­ern Hochkonjun­ktur. Die Methode: Die Reichsbürg­er ließen bei einem amerikanis­chen Onlinehand­elsregiste­r fiktive, horrend hohe Schulden auf den Namen deutscher Richter und Polizisten eintragen. Die „Schulden“wurden an eine Inkassofir­ma übertragen, die die Reichsbürg­er extra für ihre Betrügerei­en gegründet hatten. Diese machte sich sogleich daran, das Geld einzutreib­en.

Zwar musste am Ende keiner zahlen, aber die Betroffene­n hatten jede Menge Ärger. Im Dezember 2016 erwischte es auch Hamburger Richter. Die Justizbehö­rde reagierte prompt, kontaktier­te das US-Register. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt in diesem Fall gegen einen Mann aus Schwerin.

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Ist sichtlich stolz auf sein erstes Buch: Olaf Scholz (SPD) ist unter die Autoren gegangen.
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Mit so einem selbst gebastelte­n Pass wollte eine „Reichsbürg­erin“am Airport Hamburg durch die Kontrolle.

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