Hamburger Morgenpost

Wenn selbst Nazis fröhlich mitwippen

Mit Blech gegen rechts: „Banda Internatio­nale“aus Dresden hat eine besondere Geschichte

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Dresden – 22 Mitglieder aus aller Herren Länder hat die Brass Band „Banda Internatio­nale“aus Dresden. Die Gruppe engagiert sich seit bald zwei Jahrzehnte­n gegen rechts und wurde dafür mit mehreren Preisen ausgezeich­net. Am Dienstag spielt die Gruppe bei der Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es in Berlin. Im Interview spricht Klarinetti­st Michał Tomaszewsk­i, 38 Jahre alt, über die Band und ihre Geschichte.

MOPO: Herr Tomaszewsk­i, was ist das Konzept Ihrer Band Banda Internatio­nale? Michal Tomaszewsk­i:

Seit ich in Dresden bin und seit der Gründung unser Brass Band Banda Comunale, die heute Banda Internatio­nale heißt, ist Dresden ein Ort, der immer wieder von Neonazis heimgesuch­t wird. Es gab hier über viele Jahre sehr große Neonazi-Aufmärsche. Wir haben uns vor 16 Jahren im Freundeskr­eis überlegt, eine Art mobiler Eingreiftr­uppe zu gründen, um diesem Irrsinn musikalisc­h etwas entgegenzu­setzen. So haben wir viele Gegendemon­strationen begleitet und auch selbst Demos gegen Pegida angemeldet. Aber unser primäres Konzept war es immer, Musik zu machen. Wir haben in den vergangene­n Jahren ja nicht nur auf Demonstrat­ionen gespielt. Bis zum Auftauchen von Pegida waren wir keine vorrangig politische Band.

Das hat sich dann geändert?

Nach dem Auftauchen der Protestbew­egung Pegida fühlten wir uns einfach in der Pflicht und haben seit Ende 2014 kaum noch Konzerte gespielt, die nicht in einem politische­n Kontext standen. 2015 haben wir auf rund 20 Demonstrat­ionen gegen Pegida gespielt. Die Politiker hier haben es eine lange Zeit nicht für nötig befunden, diesem braunen Spuk die Stirn zu bieten. Im Sommer 2015 kamen viele Geflüchtet­e nach Dresden und die Situation in Orten wie Freital, Heidenau und Clausnitz artete aus. Wir haben auch dort gespielt und beschlosse­n, praktisch Hilfe anzubieten.

Wie sah diese aus?

Musiker und Künstler haben in der Regel keine allzu große Lobby. Die Banda Comunale hat dann explizit unter Geflüchtet­en nach Musikern gesucht. Daraus ist dann die Banda Internatio­nale geworden, die Menschen aus aller Herren Länder zusammenbr­ingt.

Was für Menschen kommen Ihren Konzerten? zu

Interessan­terweise bleiben alle stehen, wenn wir Straßenmus­ik machen, auch die älteren Herrschaft­en und die besorgten Bürger, aber auch die Punks und die Touristen. Unsere Musik ist ja nicht verstärkt und unmittelba­r erfahrbar – das spricht eigentlich fast alle Menschen an. Wir spielen auch in kleineren Orten im Umland, da kommen auch mal Nazis. Und auch die fallen auf dieses klassische Blechblasm­usik-Ding herein und haben fleißig mitgewippt, obwohl wir arabische Songs gespielt haben (lacht).

Sie sind in Orten wie Freital aufgetrete­n, wo die Stimmung oft dumpf und gleichzeit­ig aufgeheizt war. Hat man da Angst als

Band, als Musiker?

Das ist eine sehr ambivalent­e Situation. So ein Pulk von Demonstran­ten ist keine so einheitlic­he Masse, wie man denkt. An die Hardcore-Nazis wird man als Band, wie wir eine sind, nicht herankomme­n, aber da sind ja auch noch andere Menschen, die besorgten Bürger und wütenden Rentner – da fühlt man sich jetzt nicht unbedingt bedroht. Man merkt nur, dass sich diese Leute in einem tiefen schwarzen Loch befinden, die wollen nicht diskutiere­n. Ich muss sagen, dass ich nach diesen beiden Jahren, in denen sich Dresden in einer Art Ausnahmezu­stand befindet, auch Vorbehalte gegenüber der Polizei entwickelt habe. Aus einer linken Ecke würde dies wie ein Klischee klingen, aber diese Vorbehalte haben auch die ganz „normalen“Bürger, die in Dresden gegen Pegida demonstrie­ren.

Woran liegt das?

Es gibt ganz offensicht­lich Sympathien mit dieser Bewegung, einige Polizisten machen manchmal daraus keinen Hehl. Perspektiv­isch habe ich davor mehr Angst als vor griesgrämi­gen Demonstran­ten. Dieser Umstand rüttelt mehr an den Grundfeste­n der Demokratie als jede Pegida-Demonstrat­ion.

Sie treten am Dienstag bei der Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es in Berlin auf. Freut man sich über so eine Einladung?

Das hat zwei Seiten. Das muss man als Band nicht machen, aber wir betrachten das positiv, wir empfinden uns momentan schon in einer Vorbildfun­ktion – ich denke, wir konnten vielen Menschen, die nach Dresden kamen, zeigen, dass man hier auch gut aufgenomme­n werden kann, dass es hier nicht nur Pegida-Befürworte­r und Nazis gibt. Dass man von vielen auch Respekt entgegenge­bracht bekommt.

„Wir zeigen, dass es in Dresden nicht nur Pegida gibt.“Michal Tomaszewsk­i

Apropos Männer – es gibt keine Frauen in Ihrer Band. Wie kommt’s?

Das ist durchaus bedauerlic­h. Wir waren aber immer eine „Boygroup“(lacht), das folgt keinem Konzept, das ist schade, aber wirklich Zufall. Aber zurzeit platzt die Banda Internatio­nale ohnehin aus allen Nähten (lacht). Das Interview führte MARCUS WEINGÄRTNE­R

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Die Musiker der „Banda Internatio­nale“treten am Dienstag auch in Berlin auf.

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