Vom Frustesser zum Frontman
Aus Kummer mampfte er Pizza und Schokolade Jetzt ist er eine drahtige Kampfmaschine
Er ist der härteste von allen Kiezkickern. Bernd Nehrig ist St. Paulis „Rambo“im Zweitliga-Dschungel. Einen wie ihn braucht man, wenn es um das sportliche Überleben geht. Aber der 30-jährige Mittelfeld-Stratege hat auch eine weiche, sensible Seite.
Weil er keinen Zweikampf scheut, immer vorangeht, ist er aus der Start-Formation nur schwer wegzudenken. Ewald Lienen hat das von Anfang an so gesehen, als er im Dezember 2015 geholt wurde. Dessen Vorgänger Thomas Meggle und Roland Vrabec konnten mit dem kantigen Nehrig nichts anfangen. Der Schwabe über seine Leidenszeit: „Als Spieler bist du auch sensibel. Es war in manchen Phasen der Vergangenheit so, dass ich nicht das größte Vertrauen bekommen habe. Ein Fußballer muss regelmäßig spielen, um seine Leistung zeigen zu können.“
Auch unter Lienen ging es ihm in den ersten Monaten nicht gut – aus anderen Gründen: Nehrig zog sich einen Sehnenanriss im Adduktorenbereich zu. Endlich hatte er einen Coach, der auf ihn baute, gleichwohl war er wegen der schweren Verletzung wieder außen vor. Nehrig fraß den Kummer im wahrsten Sinne des Wortes in sich hinein: „In der Situation, in der ich nicht
gebraucht wurde, habe ich mich nicht so ganz professionell verhalten, ein bisschen die Disziplin schleifen lassen. Da habe ich die eine oder andere Tafel Schokolade mehr gegessen, Cola getrunken, Pizza verputzt. Daraus resultierte das eine oder andere Gramm und Fettpölsterchen mehr.“
Die Rückrunde war mehr oder weniger gelaufen. Doch weil Lienen ihm immer wieder das Gefühl vermittelte, gebraucht zu werden, gab Nehrig Vollgas: „Ich wollte mit aller Macht besser und fitter zurückkehren.“Das gelang durch konsequente Ernährungsumstellung und eisernen Willen. Neben Schokolade, Cola und Pizza ließ er auch „Brotzeiten und Säfte“weg, nahm bis zu sieben Kilogramm ab. Sein Gewicht hat sich mittlerweile bei 80 kg eingependelt – eine drahtige Kampfmaschine! Nehrig wurde vom Frustesser zum Frontman des Kiezklubs. Und weil es ihm gut geht, er gebraucht wird und in einem Top-Zustand ist, gönnt er sich in größeren Abständen auch mal wieder Deftiges. Dann wird der harte Nehrig weich: „Da darf es gern ein Schweinebraten sein, den Mutti kocht. Und den genieße ich dann richtig. Das ist wichtig für den Kopf. Man muss manchmal auf die Signale hören, die einem der Körper sendet.“