Bald erlaubt: Hände weg vom Steuer
Dobrindts neues Gesetz erlaubt das „autonome Fahren“. Autobranche wittert einen Riesenmarkt. Aber wer haftet, wenn „Geisterautos“einen Unfall bauen? Hersteller stehlen sich aus Verantwortung
Berlin – Mit dem Auto über die Autobahn brausen – und dabei im Internet surfen oder gepflegt mit den Mitfahrern Karten spielen. „Autonomes Fahren“heißt die Zauberformel, mit der die deutsche Autoindustrie in der Zukunft das ganz große Geld verdienen will. Der Bundestag hat jetzt per Gesetz den Weg für das computergesteuerte Fahren freigemacht. „Es wird die „größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils“, verspricht Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Doch es bleiben ernste Zweifel ...
Wer liegt beim Thema „Autopilot“vorn? Der US-ElektroPionier Tesla. Er kann bereits
seit Jahren in fünf USStaaten auf der Straße testen. VW, Mercedes, BMW, Bosch und andere arbeiten an Auto-Piloten, hinken aber hinterher. Das soll sich nun ändern. Deutsche Autohersteller rechnen mit der Einführung derartiger Systeme ab 2020. Ab 2030 könnte das Marktvolumen rund 300 Milliarden Euro betragen, schätzen Autoexperten.
Was ist der größte Vorteil?
„Das Roboterauto kann 95 Prozent der Unfälle verhindern“, behauptet der deutsche Auto-Papst Ferdinand Dudenhöffer. Allerdings: Marktführer Tesla erlitt im Mai 2016 einen schweren Rückschlag, als ein Tesla Model S mit Autopilot ungebremst auf eine Kreuzung
fuhr. Joshua Brown, der Autofahrer, wurde bei der Kollision mit einem Lkw getötet. Was sieht das Gesetz vor? ➤
Auf Autobahnen und/oder Landstraßen dürfen die Hersteller spezifische Lenk- und Brems-Assistenten in Serienfahrzeugen einsetzen und testen. Was gilt dabei für den Fahrer?
Im automatisierten Modus
darf der Fahrer sich vom „Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwenden“, verspricht das Gesetz. Er muss aber jeder Zeit in der Lage sein, die Steuerung wieder zu übernehmen, wenn das Computersystem ihn dazu auffordert – etwa wenn Nebel aufzieht oder wenn Sensoren ausfallen. Wer haftet bei Unfällen, wenn ein Reh über die Straße läuft oder ein Reifen platzt? Das kommt darauf an: Vorgeschrieben ist der Einbau einer Blackbox. Sie registriert, wer fuhr – der Computer oder der Fahrer –, ob das System funktionierte und ob der Fahrer nach Aufforderung reagiert hat. Wer muss am Ende zahlen? ➤
Der Deutsche Anwaltverein beklagt laut zeit.de, dass der „Schwarze Peter“beim Autofahrer bleibt. Letztlich muss er ständig „wahrnehmungsbereit“sein. Das schließt eigentlich aus, sich intensiv einen Film anzusehen. Tests ergaben, dass es 15 bis 26 Sekunden dauert, ehe dann ein Fahrer die Gefahren-Situation erfasst hat. Beim Tesla-Unfall in den USA lag die Reaktionszeit aber bei sieben (!) Sekunden. Was fordern die Verbraucherzentralen? Der Bundesverband möchte die Hersteller in die Pflicht nehmen. Derzeit müssten die Fahrer das Handbuch sorgfältig studieren und jederzeit beachten. Das sorge nicht für Rechtssicherheit. Am Ende würden die Autofahrer zu „Versuchskaninchen“gemacht, rügt die Linksfraktion. Experten
fürchten auch, dass Versicherungsbeiträge steigen werden, weil die Höchstbeträge für die Halter-Haftung durch das Gesetz verdoppelt werden. Was passiert mit den Daten? ➤
Sie werden bis zu sechs Monate in der Blackbox gespeichert. Darauf können die Behörden und Unfallbeteiligten zugreifen. Durch die Hintertür werde so ein „elektronischer Fahrtenschreiber für automatisierte Privatfahrzeuge eingeführt“, kritisiert die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff.