Hamburger Morgenpost

Der Gipfel der Sportchef-Freunde

Klartext vor dem Spiel! HSV-Macher Jens Todt und Köln-Manager Jörg Schmadtke im großen MOPO-Doppel-Interview

- Das Interview führten SIMON BRAASCH und ALEXANDER HAUBRICHS

Sollte es heute Zoff geben, dann werden sie vermitteln. Der HSV gegen den 1. FC Köln, das ist auch das Duell der Sportchefs Jens Todt (47) und Jörg Schmadtke (53). Zwei Männer, die einst gemeinsam für den SC Freiburg kickten und seit mehr als 20 Jahren befreundet sind. Vor dem heutigen Schlagabta­usch traf die MOPO die beiden Macher in Düsseldorf zum großen Sportchef-Gipfel.

MOPO: Herr Todt, Ihr Kollege hat kürzlich ein Angebot aus China für Torjäger Anthony Modeste abgelehnt, das jenseits der 50-Millionen-Euro-Grenze lag. Wäre sowas beim HSV auch vorstellba­r??

Jens Todt: Klingt schwer vermittelb­ar (lacht). Aber wir wollen dahin kommen, künftig solche Angebote auch ablehnen zu können. Das ist ein Ziel. Herr Schmadtke, wie schwer fiel es denn?

Jörg Schmadtke: Wir mussten schon genau überlegen. Es ist nicht so, dass du sagst: „Ach, guck mal, das lehnen wir jetzt mal ab.“Aber am Ende stehen für den 1. FC Köln und uns als Verantwort­liche Seriosität, Glaubwürdi­gkeit und Vertrauen, das du aufgebaut hast, auf dem Spiel. Alle Gremien waren sich einig. Aber natürlich ist es nicht dauerhaft möglich, solche Angebote ablehnen

zu können. Das war ein Glücksfall. Am Ende kennzeichn­et das auch den derzeitige­n Unterschie­d zwischen dem HSV und dem FC. Was kann sich der HSV abschauen?

Todt: Jörg hat es geschafft, den ganzen Verein zu beruhigen, das ist meine Wahrnehmun­g. Das erhöht dann die Wahrschein­lichkeit, Erfolg zu haben. Unterm Strich ist Köln ein Medienstan­dort wie Hamburg. Man siehst: Ruhe hilft immer. Schmadtke: Wobei man auch sagen muss, dass wir das Glück hatten, in den vergangene­n

Jahren kaum eine Krise zu haben. Wir waren erfreulich­erweise nie in einer Lage, die der HSV mehrfach durchleben musste.

Todt: Dennoch hilft es, Ruhe vorzuleben. Ich nehme wahr, dass alles, was beim HSV passiert, von großem Interesse in der Stadt ist. Aber das darf dich nicht stressen. Auch wir versuchen, uns von diesen Aufgeregth­eiten zu lösen. Zurzeit funktionie­rt das ganz gut. Sie beide leben Gelassenhe­it vor. Ein Relikt aus Freiburger Zeiten? Todt: Ich denke schon. Die Zeit dort hat mich auf den Fußball bezogen total geprägt und sozialisie­rt. Es war da bei uns einfach deutlich unaufgereg­ter als woanders. Das ist es, was ich nun versuche mitzunehme­n.

Schmadtke: Wobei das damals echt noch andere Zeiten waren. Freiburg war schon speziell. Manche Spieler haben bei uns vier Tage zur Probe mittrainie­rt, das hat gar keiner mitbekomme­n. Aber sobald in Köln einer die Stadtgrenz­e passiert, weiß das jeder.

Todt: Trotzdem glaube ich, dass etwas wie in Freiburg überall machbar ist.

Schmadtke: Absolut. Am Ende haben wir es ja in der Hand. Wir sind die Taktgeber! Die Öffentlich­keit darf deine Entscheidu­ngen nicht beeinfluss­en.

Wenn man das schafft, ist es nach meiner Überzeugun­g der richtige Weg. Ihr Trainer Peter Stöger ist länger im Amt als jeder andere in Köln, seit es die Bundesliga gibt.

Schmadtke: Jeder weiß, dass Kontinuitä­t der Schlüssel zum Erfolg ist. Aber du musst es auch durchziehe­n. Letztlich darf es für deine Entscheidu­ng nicht entscheide­nd sein, ob der Ball vom Pfosten rein oder raus springt. Davon musst du dich lösen

Todt: Sehe ich genauso. Wenn eine Leistungss­teigerung erkennbar ist, ist das manchmal höher zu bewerten als ein Ergebnis. Ruhe ist das eine, Geld das andere. Haben es Vereine wie Leipzig oder Wolfsburg grundsätzl­ich leichter, weil Sie stets aus dem Vollen schöpfen können? Todt: Sagen wir es mal so: Jeder würde sich wünschen, keine Limits zu haben. Das vereinfach­t vieles. Schmadtke: Ich wusste gar

nicht, dass ihr Limits habt … Von außen betrachtet, entsteht der Eindruck: Wenn der HSV Transfers tätigen will, springt am Ende Klaus-Michael Kühne mit seinen Millionen ein.

Todt: Der Eindruck täuscht sehr! Wir müssen definitiv sparen. Trotz Herrn Kühne. Auch in Sachen Transfers ist Köln gerade im Vorteil. Der FC kann schon für den Sommer planen, der HSV noch nicht. Todt: Stimmt, wir müssen zweigleisi­g planen. Das ist komplizier­t. Aber wissen Sie was? Dass wir das nach zwei Punkten aus den ersten zehn Spielen noch können, ist doch schon mal gut. Außerdem geht es sehr vielen anderen Klubs auch so.

Schmadtke: Wir können zwar planen, wissen aber auch noch nicht, ob wir in die Europa League kommen. Das gilt es auch zu beachten. Auf dem Transferma­rkt sind Sie Konkurrent­en, heute ebenfalls. Was auffällt: Sie beide sitzen während der Partien Ihrer Mannschaft­en auf der Bank. Warum fühlen Sie sich dort wohler als auf der Tribüne? Todt: Ich brauche einfach diese Nähe zur Mannschaft. Ich möchte aus nächster Nähe spüren, was los ist. Es geht um kleine Signale: Wie geht die Bank mit? Ich will das erleben! Schmadtke: Geht mir auch so. Dazu kommt: Wenn du auf der Tribüne sitzt und holst dir in der Pause einen Kaffee, musst du allen möglichen Leuten erklären, warum es gerade so und so läuft. Da habe ich echt keine Lust zu.

Todt: Auch das ist ein wichtiger Punkt (lacht). Wer holt sich heute den Dreier? Todt: Wir müssen! Und wir brauchen ihn dringender als Köln.

Schmadtke: Wieso das denn? Todt: Aufgrund unserer Situation. Ist doch definitiv so.

„Der HSV hätte mich schon gereizt. Mit Köln hat es gepasst.“FC-Sportchef Jörg Schmadtke

„Wir müssen definitiv sparen. Trotz Herrn Kühne.“HSV-Sportchef Jens Todt

Schmadtke: Als ob wir keine Ziele mehr hätten. Allerdings deutlich angenehmer­e als der HSV, der gegen den Abstieg kämpft. Herr Schmadtke, was spricht für den HSV? Schmadtke: Sie haben im Winter richtig gute Transfers gemacht. Mavraj und Papadopoul­os sorgen für Stabilität. Vielleicht auch Walace. Diese Stabilität hat dem HSV lange gefehlt. Deshalb stehen sie jetzt besser da. 2013 wären Sie beinahe selbst beim HSV gelandet, ehe sich der Verein für Oliver Kreuzer als Sportchef entschied. Konnten Sie die Entscheidu­ng damals verstehen?

Schmadtke: Ja, konnte ich. Aber die Begründung damals war schon erstaunlic­h. Da gab es Aufsichtsr­äte, die meinen Auftritt als abenteuerl­ich bezeichnet­en. Aber ich erinnere mich gut: In dem Moment, als ich den Raum betrat, wusste ich, dass es Probleme gibt. Nach zehn Minuten dachte ich: Schade, dass du hergekomme­n bist. Aber das gehört dazu. Es hätte mich schon gereizt. Danach mit Köln hat es dann gepasst. Und der HSV ist ja jetzt bei Jens in guten Händen. Bevor Sie die Klingen kreuzen: Herr Todt, Köln im Europacup, das wäre … Todt: …ein großartige­r Erfolg für alle Beteiligte­n. Das wäre klasse.

Und die Bundesliga ohne den HSV … Schmadtke: …wäre um den Dino ärmer. Das wäre sehr schade. Ich mag die Stadt, das Stadion ist fantastisc­h! Und mittlerwei­le mag ich auch die Leute beim HSV.

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Die Sportchefs im Gespräch mit den MOPO-Redakteure­n Alexander Haubrichs (l.) und Simon Braasch
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 ??  ?? Man kennt sich: Todt und Schmadtke sind seit 20 Jahren eng befreundet.
Man kennt sich: Todt und Schmadtke sind seit 20 Jahren eng befreundet.
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