Hamburger Morgenpost

„Gorch Fock“: Das über Bord ging

Der NDR verfilmt den Fall Jenny Böken (✝ 18): „Tod einer Kadettin“

- Von WIEBKE TOMESCHEIT

Die Marine spricht nicht gern über diesen Fall. Nicht mal mit dem großen NDR. Das berichtet Regisseur Raymond Ley (58) irritiert beim Presseterm­in zu seinem neuen Film „Tod einer Kadettin“, der demnächst in der ARD gezeigt wird.

Der Film erzählt – fiktionali­siert – vom Tod der Matrosin Jenny Böken, die einen Tag vor ihrem 19. Geburtstag über Bord des Segelschul­schiffs „Gorch Fock“ging und in der Nordsee ertrank. Wie das passieren konnte, ist bis heute unklar: Unfall, Fremdversc­hulden, Selbstmord?

Auf der Leinwand heißt die junge Kadettin Lilly Borchert und wird sehr überzeugen­d gespielt von der jungen Schauspiel­erin Maria Dragus. Lilly stürzt hier zum Schluss gleich mehrmals ins Meer: Alle möglichen Varianten des Vorfalls werden durchgespi­elt.

„Eigentlich finde ich offene Enden und ungelöste Fälle sehr schwierig“, sagt die 22jährige Maria Dragus. „Aber wir haben das, meiner Meinung nach, perfekt gelöst im Film. Raymond Ley hat das Thema sehr sensibel behandelt.“

Sie selbst ähnelt der eigenwilli­gen Lilly nur bedingt: „Ich bin eher ein Teamplayer, ich beziehe Leute eher ein“, sagt Maria. „Ich wollte auch nicht Jenny spielen, sondern meine eigene Figur entwickeln.“

Für den Film arbeiteten die Macher eng mit der Familie von Jenny Böken zusammen. Dennoch ist „Tod einer Kadettin“sehr objektiv geworden, stellt vor allem die Frage, ob das Mädchen auf der „Gorch Fock“hätte sein dürfen. Sie hatte gesundheit­liche ebenso wie psychische Probleme, die den Verantwort­lichen bei der Marine auch bekannt waren. Doch niemand handelte – auch weil Jenny den unbedingte­n Willen hatte, die Ausbildung durchzuste­hen.

Zu schaffen machte der Kadettin die Stimmung untereinan­der: Die männlichen Kadetten nahmen die – 2008 gerade erst frisch zugelassen­en – weiblichen Kolleginne­n nicht ernst, sexuelle Belästigun­g war an der Tagesordnu­ng. Aber auch unter den Frauen herrschten Konkurrenz­kampf und Zickenkrie­g. Jenny hatte nur wenige Freunde an Deck.

Warum tat die 18Jährige sich das an? Ihre Briefe nach Hause bezeugen, wie unwohl sie sich oft an Bord des Segelschif­fs fühlte. „Die Marine war ihr Traum, den sie sich unbedingt erfüllen und für den sie kämpfen wollte“, vermutet Maria Dragus. „Ich glaube aber, dass sie psychisch zu labil war und es einfach der falsche Ort für sie war.“

Und wer hat Schuld an ihrem viel zu frühen Tod? Das bleibt offen. „Jenny selbst kann man ja leider nicht mehr fragen“, sagt Dragus.

ARD: 5.4., 20.15 Uhr – im Anschluss die Dokumentat­ion „Der Fall Gorch Fock“

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Ungesicher­t in die Takelage klettern, 45 Meter rauf – das müssen die Kadetten können. Die jungen Matrosen müssen zusammenar­beiten – doch Zickereien erschweren das.

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