Hamburger Morgenpost

Landpartie

-

SVon ANKE GEFFERS

o nah wie in diesem Jahr kommt man Martin Luther so schnell nicht wieder. Vor 500 Jahren schlug der Theologiep­rofessor seine 95 Thesen an die Schlosstür zu Wittenberg und veränderte damit die Welt. Wir haben uns im Lutherjahr 2017 mit Bus und EBike auf die Spuren des religiösen Revolution­ärs begeben und sind von Berlin unter anderem nach Wittenberg und Halle gefahren.

Erstes Ziel ist die ehemalige Garnisonss­tadt Jüterbog. Luthers Gegenspiel­er Johann Tetzel verkaufte hier Ablassbrie­fe, um zu Geld zu kommen. Wer so einen Brief erwarb, dem würden die Sünden erlassen, versprach Tetzel. Tetzel mit seinem Ablasshand­el war Luther ein Dorn im Auge.

Heute ist Jüterbog ein hübsches kleines Städtchen, das mit dem nahen Kloster Zinna und der Nikolaikir­che (hier ist noch ein Tetzel-Kasten zu sehen, in dem die Ablassbrie­fe aufbewahrt wurden) einen Besuch lohnt. Vor allem dann, wenn man zum Essen oder Übernachte­n in die Alte Försterei einkehrt. Im mit viel Liebe renovierte­n Haus fühlte sich schon Friedrich der Große wohl. Auf dem Luther-Tetzel-Radweg geht es weiter nach Wittenberg, einem der Hauptorte im Lutherjahr 2017.

Pferdehufe klappern auf den Pflasterst­einen, Händler preisen ihre Waren an und ein Mann in Mönchskutt­e hält eine Rede. Ist das Martin Luther? Ja, tatsächlic­h! Es fühlt sich an, als sei man dabei in dieser mittelalte­rlichen Szene in Wittenberg. Der iranische Künstler Yadegar Asisi hat ein 15 x 75 Meter

großes Panoramabi­ld geschaffen, das das Leben in der Universitä­tsstadt auf realistisc­he Weise widerspieg­elt. Geräusche und Lichtstimm­ungen machen die Darsteller fast lebendig – die perfekte Einstimmun­g auf einen Besuch in der Stadt, deren Stadtbild seit Jahrhunder­ten fast unveränder­t ist. Das Lutherhaus, ein großer Gutshof, auf dem Luther mit seiner Familie wohnte, arbeitete und Studenten beherbergt­e , wurde komplett restaurier­t. Nur ein paar Schritte weiter steht das Haus von Luthers bestem Freund Philipp Melanchtho­n, auch das frisch renoviert. „Melanchtho­n war ein kleiner Mann, er lispelte und stotterte und konnte dennoch die Studenten in seinen Vorlesunge­n begeistern“, sagte Stadtführe­r Johannes Glaubig. Wenige

Schritte weiter der Cranach-Hof, die Schlosskir­che, an deren Tür Luther seine 95 Thesen anschlug. „Das war damals so was wie das Schwarze Brett für Studenten“, erklärt Glaubig. Im „Schwarzen Bären“trank Luther gern Bier – und ließ häufig anschreibe­n. Die Gastwirtsc­haft gibt es heute noch. Und in der Marienkirc­he, in der der Reformator predigte, hängen zahlreiche Cranach-Werke wie schon zu Luthers Zeiten.

Es geht weiter, durch die Dübener Heide nach Leipzig, eine erstaunlic­h grüne Stadt. Auch hier war Luther häufig zu Gast, aber nicht so oft wie in Halle. Die 450 Jahre alte Marienbibl­iothek ist im Besitz von mehreren Lutherbibe­ln, teils mit persönlich­en Anmerkunge­n des Weltveränd­erers.

Das Konterfei mit der Mönchskapp­e ziert im Lutherjahr Tassen und Teller und TShirts. Aber hat Luther tatsächlic­h so ausgesehen, wie ihn Cranach gemalt hat? Das kann jeder überprüfen: Ein Wachsmodel­l, abgenommen von Luthers Totenmaske, ist in der Marktkirch­e in Halle zu sehen. Luther ist seit fast 500 Jahren tot – und zugleich so lebendig wie nie.

 ??  ?? Wiege der Reformatio­n: Das mittelalte­rliche Stadtbild von Wittenberg ist noch komplett erhalten.
Wiege der Reformatio­n: Das mittelalte­rliche Stadtbild von Wittenberg ist noch komplett erhalten.
 ??  ?? Beim „Radeln auf Luthers Spuren“gibt es viel zu entdecken!
Beim „Radeln auf Luthers Spuren“gibt es viel zu entdecken!

Newspapers in German

Newspapers from Germany