Der HSV muss Wood unbedingt halten“
Rekord-Nationalspieler spricht in der MOPO über die Entwicklung des Liga-Dinos, den Abstiegskampf und den Top-Angreifer
Beim Deutschen Sportjournalistenpreis am Montag in Hamburg wurde Lothar Matthäus als „Meistzitierter Fußballexperte“ausgezeichnet. Kein Wunder, denn der 56-Jährige weiß, wovon er spricht. Sein Wort hat Gewicht. Wie sieht der deutsche Rekord-Nationalspieler die Entwicklung beim HSV? Die MOPO fragte ihn.
MOPO: Hand aufs Herz, Herr Matthäus. Hätten Sie gedacht, dass sich der HSV nach dem katastrophalen Saisonstart stabilisieren würde? Lothar Matthäus:
Ich habe den HSV vor Beginn der Saison auf einem einstelligen Tabellenplatz gesehen – und das ist ja zumindest wieder im Bereich des Möglichen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass der HSV erst so spät in die Spur fand?
Nun ja, im vergangenen Sommer hat vieles nicht gepasst. Auf dem Platz, aber eben auch außerhalb des Platzes mit all den Querelen in der Führung. Das beeinflusst natürlich dann eine Mannschaft. Mit Markus Gisdol, aber auch mit Heribert Bruchhagen und Jens Todt ist endlich alles ein bisschen ruhiger geworden – und das tut dem Verein gut.
Aufgrund von zwei Punkten aus den ersten zehn Spielen hängt der HSV weiter im Tabellenkeller drin. Was spricht im Abstiegskampf aus Ihrer Sicht für den Liga-Dino?
Die Fans waren schon immer fantastisch, das ist ein Pfund. Darauf wird auch im Saisonfinale weiter Verlass sein. Aber auch die Mannschaft hat sich gut entwickelt, da ist wieder eine gewisse Leichtigkeit erkennbar, die Sicherheit und das Selbstvertrauen sind zurück. Und ich habe immer gesagt: Die Qualität im Kader ist nicht die eines Absteigers.
Sehen Sie Trainer Markus Gisdol als entscheidenden Faktor für den Aufschwung in den vergangenen Monaten an?
Da sind ja auch Leute, die ihn stärken und ihm das Vertrauen geben. Mit Bruchhagen ist ein Mann gekommen, der viel Erfahrung hat, der den Ball auch mal flach hält, der das Geschäft kennt und einzuordnen weiß, der – in beide Richtungen – auf die Bremse tritt.
Und was halten Sie von Gisdol?
Natürlich macht er es gut. Gisdol hat die richtigen Schlüsse gezogen aus dem Fehlstart, neue Regeln für die Mannschaft aufgestellt und auch im Kader aufgeräumt mit der Trennung von Profis, die nicht hineingepasst haben. Außerdem hat er Spieler wieder hinbekommen – wie Aaron Hunt – der ja beim HSV schon abgeschrieben war.
Mit Bobby Wood wird ein Hamburger heiß gehandelt bei anderen Klubs. Wie bewerten Sie seine Leistungen?
Für mich ist das einer der überragenden Mittelstürmer der Liga, weil er alles mitbringt. Wood ist sehr schnell, hat eine gute Technik, kann es mit links, rechts und mit dem Kopf. Er war zuletzt ein Garant dafür, dass der HSV am Leben ist. Nicht nur als Torschütze, sondern als Unruheherd in der gegnerischen Defensive. Hinzu kommt, dass er noch in einem Alter ist, um sich in Zukunft weiter steigern zu können.
„Trainer Gisdol hat die richtigen Schlüsse gezogen.“
Die Ablösesumme ist mit rund zehn Millionen Euro festgeschrieben. Ist Wood schon so viel Geld wert?
Ja, meiner Meinung nach ist er das Geld wert. Und wenn Vereine da sind, die ihn haben wollen, dann wird es wohl schwer für den HSV, ihn in Hamburg zu halten.
Wenn Sie sein Manager wären, was würden Sie ihm kurz- und mittelfristig raten?
Es ist bekannt, dass er kürzlich sein Ma-
nagement gewechselt hat, hin zu Volker Struth. Und der hat ja bekanntlich einen ordentlichen Draht zum HSV. Ich würde Wood in jedem Fall raten, nicht schon wieder den Verein zu wechseln. Er ist von 1860 München zu Aue und jeweils nach einem Jahr zu Union Berlin und nach Hamburg. Zwei weitere Jahre beim HSV würden ihm gut tun, auch um bessere Zeiten mit dem Klub zu erleben, um noch stabiler zu werden. Dann könnte Wood den nächsten Schritt machen.
Sollte der HSV alles dafür tun, um Wood zu halten? Oder müsste man ihn angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation ziehen lassen, wenn ein zweistelliges Millionen-Angebot kommt?
Sie wissen doch: Geld schießt keine Tore. Wenn es möglich ist, Wood zu halten und seinen Vertrag entsprechend aufzubessern, dann muss man auch unbedingt alles dafür tun.
Wie sehen Sie die Situation des HSV im Abstiegskampf?
Die halbe Liga hängt mit drin, da sollte kein Verein die Augen davor verschließen, da ist noch keiner gerettet. Aber der HSV hat – trotz der Niederlage zuletzt in Dortmund – eine beeindruckende Serie hingelegt. Das gilt ja für alle Nordklubs, auch für Werder Bremen und Wolfsburg. Sie waren in der Hinrunde schon abgeschrieben, aber ich gehe davon aus, dass sie der Bundesliga alle erhalten bleiben.
Mal ehrlich, hatten Sie sich Mitte der Hinrunde insgeheim schon vom HSV verabschiedet?
Nein, nein, nein! Die Qualität des HSVKaders habe ich immer als zu groß angesehen. Man hat fast zu spät, aber dann doch noch rechtzeitig die nötigen Maßnahmen ergriffen, um das Potenzial auf den Platz zu bringen.
Würden Sie den HSV vermissen, wenn es den Klub unterm Strich doch erwischen sollte?
Ich bin noch einer der alten Garde, ich vermisse alle Traditionsvereine wie Nürnberg, Kaiserslautern, Stuttgart oder auch Hannover und 1860 München, die ich gern in der Bundesliga sehen würde. Aber Tradition allein reicht nicht, es zählen die Leistungen auf dem Platz und auch das Fachliche außerhalb des Platzes. Da haben einige Vereine leider ihre Hausaufgaben sehr schlecht gemacht. Wenn es sie erwischen sollte, was ich nicht glaube, dann würde jeder Fußball-Fan den HSV vermissen.