Klitschkos totaler Ego-Trip
MOPO-Besuch im Trainingslager. Ex-Champion bereitet sich in Going auf WM-Kampf gegen Antony Joshua vor Volle Konzentration auf den Fight. Der 41-Jährige blendet alles aus und bezeichnet sich selbst als „besessen“
Von NILS WEBER
Ein Wort sagt alles. Alles über Wladimir Klitschko (41) und seinen MegaKampf gegen IBF-Weltmeister Antony Joshua (27) am 29. April im WembleyStadion. Der einstige König des Schwergewichts hat seiner Mission ein Motto gegeben. Obsessed. Englisch für besessen. Er ist ein Besessener auf einem EgoTrip, auf dem selbst die Familie keinen Platz hat.
Die Schläge knallen durch die zum Box-Gym umfunktionierte Halle wie eine Mischung aus Donnerschlägen und Peitschenhieben. Klitschko lässt die Fäuste fliegen. Seine Handschuhe prallen auf die Pratzen, spezielle Trainingshandschuhe, von Trainer Johnathon Banks, den der K.o.-Gigant vor sich hertreibt – mit dem Blick eines Jägers, dem keine Bewegung, nicht das kleinste Zucken seiner Beute entgeht.
„Ich bin besessen“, bekennt Klitschko, den die MOPO in seinem Stammtrainingslager in Going/Tirol besucht hat, gut drei Wochen vor dem Duell der Generationen vor 90000 Menschen im Londoner FußballTempel.
Besessen davon, in der besten Verfassung seiner Box-Karriere in den Ring zu steigen. Besessen davon, zu siegen. Besessen, seine enttäuschende Leistung und Niederlage gegen Tyson Fury im November 2015 vergessen zu machen. Besessen, es allen zu zeigen, dass er es noch drauf hat – vor allem sich selbst. „So eine Form von Besessenheit hat es bei mir noch nicht gegeben.“
Der Schriftzug „#obsessed“prangt auf Klitschkos Trainingskleidung und der seiner Teammitglieder. Besessen. Klitschko scheint sogar besessen von dem Wort besessen, so oft wiederholt er es.
Alles, wirklich alles ordnet er seiner Mission, der Rückkehr auf den WM-Thron, unter. „Ich bin ein kompromissloser, multidimensionaler Egoist“, beschreibt sich der Klitschko dieser Tage. Multidimensional sei er nur, was das Boxen angeht. „Alles andere blende ich aus.“Alles.
Hart zu sich selbst, hart auch zu seinen Liebsten. Ehefrau Hayden und Töchterchen Kaya (2) werden ihn nicht im Trainingscamp in Österreich und auch nicht in der Woche vor dem Kampf besuchen. „Ich liebe meine Familie und mein Kind, aber für die nächsten dreieinhalb Wochen bin ich Egoist. Das ist im Sport so, da muss man alles dem Sieg unterordnen.“
Totaler Fokus, null Ablenkung, 100 Prozent Boxer. Das war vor dem FuryKampf nicht immer der Fall. Erst am Tag nach dem Wembley-Spektakel ist Klitschko wieder Familienvater – und, wenn sein Plan aufgeht, auch wieder Weltmeister.
Es gehe ihm nicht um den WM-Gürtel. „Es geht um mein Ego. Ich will es mir selbst zeigen, mir beweisen, dass ich es noch drauf habe“, sagt Klitschko.
„Ich liebe meine Familie. Aber in den nächsten Wochen bin ich Egoist.“Wladimir Klitschko