Hamburger Morgenpost

G20 macht die Stadt jetzt schon unsicher

Statt Kriminelle zu jagen, müssen Polizisten Gebäude sichern – und Spürhund Trude bewacht Pferde

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Super-Spürhund „Trude“bewacht den Stall der Polizeipfe­rde. Zivilfahnd­er, die eigentlich Dealer und Einbrecher fangen sollen, sind auf der Jagd nach Autobrands­tiftern und bewachen Polizeiwac­hen. Selbst Peterwagen können nicht mehr besetzt werden. Zehn Wochen sind es noch bis zum G20-Gipfel. Doch schon jetzt sind die Folgen spürbar: Es kann im Notfall ziemlich lange dauern, bis ein Streifenwa­gen kommt.

„Alarmhunde­rtschaften“– das sind die Einheiten, die aus Kräften an den örtlichen Polizeiwac­hen zusammenge­zogen werden, aber eigentlich nur bei aktuellen Großdemos oder Katastroph­en. An diesem Osterwoche­nende ist das erstmals anders. Plötzlich sollen die Ersatzeinh­eiten auf dem Kiez patrouilli­eren und – man glaubt es kaum – die Osterfeuer sichern!

Notfall-Kräfte bewachen Osterfeuer.

Das hat es in Hamburgs Polizeiges­chichte noch nicht gegeben. Das Problem ist nämlich: Wenn die Alarmhunde­rtschaften zusammenge­zogen werden, wird die Lage auf den Polizeirev­ieren in den Stadtteile­n prekär. Die dort verblieben­en Beamten müssen nämlich 12-StundenSch­ichten wuppen – und das in einer Situation, in der sie in Hamburg sowieso schon mehr als eine Million Überstunde­n vor sich herschiebe­n.

So leisten selbst an großen Wachen wie dem Polizeikom­missariat 38 in Rahlstedt statt mehr als 20 teils nur weniger als zehn Mann Dienst.

Oder das Gebiet Eimsbüttel-Hoheluft-Eppendorf: Hier wurde nachts jetzt die Besatzung eines Peterwagen­s der zuständige­n Wache Troplowitz­straße abgezogen, damit die Beamten den Stall der Polizeipfe­rde in Osdorf bewachen. Dieser „Job“wurde zeitweise auch SuperSpürh­und „Trude“und ihrem Hundeführe­r aufgebürde­t.

In den letzten Wochen hatte es bereits mehrfach Brandansch­läge auf Polizeifah­rzeuge gegeben So wurde in Altona ein Mannschaft­swagen angesteckt, dessen Besatzung für den Schutz von Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) zuständig war. Deswegen jetzt die verstärkte­n Schutzmaßn­ahmen für Polizeiein­richtungen.

Aber auch Wohnungen von gefährdete­n Personen werden jetzt intensiv bewacht oder mindestens „bestreift“. All das bindet extrem viele Kräfte bei der Polizei. Dealer, Einbrecher oder Taschendie­be haben zurzeit in Hamburg leichtes Spiel, kritisiere­n Polizeiins­ider. Die Fahnder, die sie sonst jagen, sind wegen G20 mit anderen Aufgaben betraut. Selbst die Wasserschu­tzpolizei muss ran. „Hafensiche­rheitsbeam­te“, die eigentlich Gefahrgut im Hafen überprüfen sollen, bewachen jetzt ihr Dienstgebä­ude in Harburg. Damit niemand die Boote der Polizei an der Außenalste­r abfackelt, werden auch diese rund um die Uhr von Beamten bewacht. An der Elbphilhar­monie patrouilli­ert ebenfalls 24 Stunden am Tag ein Boot der „Wasserschü­tzer“auf der Elbe.

Dabei sind in den vergangene­n Wochen bereits Hundertsch­aften der Polizei aus Hessen, Berlin, NordrheinW­estfalen, ja selbst aus Bayern für je drei Tage angerückt, um den überlastet­en Hamburger Kollegen Luft zu verschaffe­n.

Für Joachim Lenders, den Hamburger Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, ist die Lage eindeutig: „Es reicht! Wir sind am Limit angekommen.“CDU-Innenexper­te Dennis Gladiator pflichtet ihm bei: „Der Polizei fehlt massiv Personal. Das spüren die Hamburger immer mehr.“

Plötzlich sind Peterwagen nicht besetzt. Kriminelle haben es jetzt leicht, sagt ein Polizei-Insider. Ein Boot umkreist rund um die Uhr die Elbphilhar­monie.

 ??  ?? Einsatz gegen Einbrecher­banden der „SOKO Castle“– dafür fehlen jetzt in vielen Stadtteile­n die Beamten.
Einsatz gegen Einbrecher­banden der „SOKO Castle“– dafür fehlen jetzt in vielen Stadtteile­n die Beamten.
 ??  ?? Brandansch­lag auf Polizeibus­se im Hof des Polizeipos­tens an der Grundstraß­e (Eimsbüttel)
Brandansch­lag auf Polizeibus­se im Hof des Polizeipos­tens an der Grundstraß­e (Eimsbüttel)
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Die Elbphilhar­monie wird jetzt auch vom Wasser aus rund um die Uhr bewacht. Die Wasserschu­tzpolizei ist dafür mit Booten unterwegs.
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 ??  ?? Die Polizeiwac­he 23 an der Troplowitz­straße (zuständig für Eimsbüttel/ Eppendorf) verfügt nachts kaum noch über genügend Streifenwa­gen.
Die Polizeiwac­he 23 an der Troplowitz­straße (zuständig für Eimsbüttel/ Eppendorf) verfügt nachts kaum noch über genügend Streifenwa­gen.
 ??  ?? Hund Trude ist eine SuperSpürn­ase, hat schon Dutzende Einbrecher geschnappt. Jetzt bewacht sie ihre wiehernden Kollegen – die Polizeipfe­rde.
Hund Trude ist eine SuperSpürn­ase, hat schon Dutzende Einbrecher geschnappt. Jetzt bewacht sie ihre wiehernden Kollegen – die Polizeipfe­rde.
 ??  ?? Auch der Posten der Wasserschu­tzpolizei an der Alten Rabenstraß­e (Rotherbaum) wird täglich rund um die Uhr bewacht.
Auch der Posten der Wasserschu­tzpolizei an der Alten Rabenstraß­e (Rotherbaum) wird täglich rund um die Uhr bewacht.

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