Gegen jeden Widerstand
Hamburgs Ruder-Hoffnung Tim Ole Naske (20) führt ein Doppelleben
Von PHILIPP SIMON
Der Alltag von Hamburgs Ruder-Hoffnung Tim Ole Naske ist nichts für Weicheier. Zeit für Freunde und Freizeit gibt es kaum. Das stört den hoch veranlagten EinerSpezialisten allerdings wenig. Die verpasste OlympiaTeilnahme ist abgehakt, der in letzter Sekunde geplatzte Traum vom Studium in Amerika verarbeitet. Denn der 20-Jährige macht das, was er am besten kann: Trotz aller Widerstände erhöht er einfach die Schlagzahl.
Wäre alles nach Plan gelaufen, würde Tim Ole Naske momentan das süße Studentenleben in Kalifornien genießen. An der renommierten University of California in Berkeley hatte der amtierende U23-Weltmeister bereits eine Zusage für ein Vollstipendium. An der USWestküste trainieren die besten Nachwuchsruderer der Welt – ein großes Sprungbrett für noch größere Karrieren. Doch ein einziger Anruf ließ alle Träume Sein zweites Standbein: Naske studiert an der Uni Jura.
des Jugend-Olympiasiegers im Einer platzen. „Ich wurde von der NCAA
(amerikanische Behörde für Collegesport Anm. d. Red.)
als Profisportler eingestuft und hatte somit nicht die Berechtigung auf ein Stipendium. Es war niederschmetternd für mich“, sagt er im Gespräch mit der MOPO.
Der Lokstedter ließ sich aber auch von diesem Rückschlag nicht aus der Ruderbahn werfen. Für die Olympischen Spiele 2016 in Rio war er trotz starker Leistungen nicht nominiert worden. Daran hatte „Tole“zu knabbern. Doch Widerstände scheinen dem Modellathleten zu liegen. Mit dem U23WM-Titel ruderte er sich den Frust von der Seele.
Jetzt will der Musik-Liebhaber mit seinem im April gestarteten Jurastudium den nächsten Widerstand überwinden. „Das Studium ist sehr lernintensiv. Ohne ordentliche Nach- und Vorbereitung geht es nicht“, sagt Naske, dessen Alltag von morgens bis abends durchgetaktet ist. Von 8.30 bis 12.30 Uhr paukt er in der Uni Hamburg, danach düst er zum Training am Olympiastützpunkt in Allermöhe. Um 16 Uhr geht’s dann wieder zurück in die Bibliothek. „In der Regel bin ich dann gegen 22 Uhr zu Hause“, sagt der 20-Jährige. Zeit für Freizeit und Freunde bleibt bei diesem Doppelleben wenig.
Doch Naske beißt sich durch. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio ist sein großer Traum. „Und natürlich ein gut abgeschlossenes Studium. Dafür bin ich bereit, alles zu geben“, sagt Naske, der trotz Sponsoring von einem Energy-Drink-Hersteller noch bei seinen Eltern in Lokstedt lebt. Denn das Geld als Ruderprofi ist knapp. „St. Georg wäre ein perfekter Wohnungsstandort zwischen Uni und Olympiastützpunkt“, träumt Naske. Auch dieser Widerstand wird ihm wohl längerfristig keine Probleme bereiten …