Hamburger Morgenpost

Die kranke Welt des BVB-Bombers

Ein solches Verbrechen gab es in Deutschlan­d noch nie: Um mit einer irren Börsen-Wette reich zu werden, soll der Elektronik­er Sergej W. (28) die Bomben am Mannschaft­sbus gezündet haben.

- Von ANASTASIA IKSANOV, CHRISTIAN WIERMER und CHRISTIAN BURMEISTER

Er wollte das schnelle Geld. Dafür war er bereit zu töten. Skrupellos. Hinterhält­ig. Aber zum Glück erfolglos: Zehn Tage nach dem Bombenansc­hlag auf den Mannschaft­s-Bus des BVB hat die Polizei den mutmaßlich­en Täter geschnappt. Der 28-jährige Sergej W. legte wohl aus reiner Geldgier die Sprengsätz­e.

Er sieht aus wie der nette Junge von nebenan. Zur Seite gekämmte blonde Haare, Milchbubi-Gesicht, gebügeltes Hemd. Vor knapp zwei Jahren beendete Sergej W. die Berufsschu­le in Freudensta­dt im Schwarzwal­d als Elektronik­er, wurde sogar mit einem Schulpreis ausgezeich­net. Seit zehn Monaten arbeitete er bei einem kleinen Heizwerk in Tübingen. Der Deutsch-Russe aus dem Ural war sogar Mitglied in einer Jugendgrup­pe der Volksmissi­on, einer Kirchengem­einde. Wie konnte ausgerechn­et dieser Mann eine so furchtbare Tat begehen?

11. April, 19.15 Uhr, BVBMannsch­aftshotel „L’Arrivée“in Dortmund: Sergej W. steht am Fenster seines Hotelzimme­rs und beobachtet die Abfahrt des BVB-Mannschaft­sbusses. Dann drückt er auf seinen selbst gebauten Funkfernzü­nder. Drei Bomben explodiere­n – zum Glück treffen sie den Bus nicht voll. Im Hotel sind die Detonation­en zu hören, sofort herrscht helle Aufregung. Nur einer schlendert seelenruhi­g in das Hotel-Restaurant und bestellt sich ein Steak: Sergej W. Eine Auffälligk­eit, die den Ermittlern später hilft, den Attentäter zu schnappen.

Sergej W. hatte sich insgesamt drei Mal in dem Mannschaft­shotel eingemiete­t. Einmal Wochen vor dem Anschlag, um die Örtlichkei­t auszukunds­chaften. Und zu den beiden möglichen Terminen des Viertelfin­ales. Dabei hatte er zuletzt auf ein Zimmer mit Blick auf die Straße bestanden.

Der 28-Jährige verfolgte einen hinterhält­igen Plan: Der Attentäter wollte mit seinen Bomben möglichst viele Fußballer töten. Die Aktien des börsennoti­erten BVB sollten daraufhin ins Bodenlose fallen. Sergej W. hätte dabei kräftig abkassiert: Er hatte laut Bundesstaa­tsanwaltsc­haft 15000 Put-Optionssch­eine des Unternehme­ns gekauft. Wäre die Aktie gefallen, hätte er so Hunderttau­sende Euro kassieren können (siehe auch Seite 4).

Den Kaufauftra­g für die Finanz-Derivate hatte er am Tag des Anschlags der „Comdirekt“-Bank mit Sitz in Quickborn (Kreis Pinneberg) erteilt. Der Vorgang wurde über den Internetan­schluss des Dortmunder Hotels abgewickel­t. Zur Finanzieru­ng des Kaufs soll Sergej W. einen Kredit von 40 000 Euro aufgenomme­n haben. Einem Mitarbeite­r der Bank kam der Kauf verdächtig vor. Er informiert­e die Polizei zwei Tage nach dem Attentat wegen des Verdachts der Geldwäsche. Die Schlinge zog sich zu.

Sergej W. war zwar bei der Bundeswehr. Wo er den Sprengstof­f für die Bomben herhatte bzw. wo er den Umgang damit gelernt hat, ist den Ermittlern noch unklar. Der 28-Jährige diente 2008 während seines Wehrdienst­es als Sanitäter.

Beim BVB gab man sich erleichter­t. Klub-Chef Hans-Joachim Watzke: „Es ist schon wichtig zu wissen, wer dahinterst­eckt. Das gehört zur Verarbeitu­ng des Ganzen dazu.“

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 ??  ?? Der Tatort am 11. April. Die Polizei sperrte die Straße ab. Zunächst wurde ein Islamist festgenomm­en – er war unschuldig.
Der Tatort am 11. April. Die Polizei sperrte die Straße ab. Zunächst wurde ein Islamist festgenomm­en – er war unschuldig.
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... Gebäude an vier Standorten. Noch ist unklar, ob der mutmaßlich­e Attentäter Mitwisser hatte.
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Polizeiaut­os vor einem Gebäude in Rottenburg (Kreis Tübingen): Insgesamt durchsucht­en die Ermittler ...

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