Hamburger Morgenpost

Hitler diesen d jungen Hamburger köpfen ließ

29.1.1945 Hans Leipelt war Widerstand­skämpfer – und starb auf demselben Schafott wie die Geschwiste­r Scholl

- Von OLAF WUNDER

Sie druckten Flugblätte­r, versteckte­n Juden, und um den Krieg zu verkürzen, verübten sie Sabotageak­te. Hamburgs Widerstand­skämpfer riskierten ihr Leben für eine bessere Zukunft. Dieser Artikel erinnert an Hans Leipelt, ein Mitglied der „Weißen Rose“, dessen Schicksal in Hamburg zu Unrecht in Vergessenh­eit geraten ist.

Der 29. Januar 1945, München-Stadelheim. Der 23-jährige Mann aus Wilhelmsbu­rg sitzt über einem Blatt Papier und schreibt einen Abschiedsb­rief an sein „liebes Schwesterc­hen“. „Heute findet meine Hinrichtun­g statt“, heißt es da. „Sei meintewege­n nicht traurig. Ich fühle im wahrsten Sinne göttliche Ruhe in mir und sterbe ohne Angst, in der Hoffnung auf Gottes Vergebung. Auch Dich bitte ich nun zum Schluss, Du möchtest mir meine häufige Lieblosigk­eit, meinen Egoismus, vor allem meinen maßlosen Mangel an Selbstbehe­rrschung vergeben, durch den ich auch Dich ins Unglück gestürzt habe. Lebe wohl, mein Liebes. Dein Dich liebender Bruder Hans.“ Kurz darauf stirbt er auf demselben Schafott, auf dem zwei Jahre zuvor die Geschwiste­r Scholl hingericht­et worden sind.

Hans Leipelts Mutter war Jüdin

Hans Leipelt wird am 28. Juli 1921 in Wien geboren. Weil sein Vater, der Diplominge­nieur Konrad Leipelt, eine leitende Stelle bei der Norddeutsc­hen Affinerie auf der Veddel bekommt und später Direktor der Zinnwerke Wilhelmsbu­rg wird, zieht die Familie nach Hamburg. Hier wird Schwester Maria 1925 geboren.

Die Nürnberger Rassegeset­ze greifen ab 1935 tief in das Leben der Familie ein. Obwohl protestant­isch erzogen, gilt Mutter Katharina Leipelt in den Augen der Nazis als „Volljüdin“, denn sie stammt aus jüdischem Elternhaus. Ihr einziger Schutz vor frühzeitig­er Deportatio­n: ihr „arischer“Mann.

1940 wirft die Armee ihn raus

Ihr Sohn Hans Leipelt, der wie seine Schwester in den Augen der Nazis ein Halbjude ist, nimmt ab 1939 am Polen- und am Frankreich­feldzug teil, wird für seine Verdienste 1940 sogar mit dem Eisernen Kreuz ausgezeich­net. Doch bald nach dem Waffenstil­lstand mit Frankreich entlässt die Wehrmacht ihn unehrenhaf­t.

Er beginnt ein Chemiestud­ium in München und hat viel Glück: Anderswo wäre er wegen seiner Rasse

zwangsexma­trikuliert worden. Doch sein Professor ist der Nobelpreei­sträologie­t ger Heinrich Wieland, der ideound sche Einflussna­hme nicht dulde schriflt sich entschließ­t, geltende Vorsdarf ten zu missachten. Hans Leipel Student bleiben.

Er kopiert Scholls Flugblätte­r

Es folgt ein dramatisch­er Sommer 1942 mit vielen einschneid­enden Veränderun­gen: Hermine Baron, Hans Leipelts Oma, wird ins Ghetto Theresiens­tadt deportiert, wo sie stirbt. Im September 1942 erlieggt sein Vater Konrad Leipelt während einer Kur in Bad Kissingen einem Herz schlag, wodurch die Ausnahmere­ge lungen, die für Juden aus Mischenhen gelten, enden: Hans Leipelts Mutter wird gezwungen, Zwangsarbe­it in eiurg ner Futtermitt­elfirma in Harbuzu leisten.

Aufgewühlt und zutiefst ememesn kehrt Hans Leipelt nach den Sezuein terferien an die Uni Münchan rück. Im Februar 1943 findet er ean die Münchner Studentens­chaft gen richtetes Flugblatt der „Weiße Roass se“in seiner Post. Als er hört, daie Geschwiste­r Scholl, von denen es

stammt, am 18. Februar verhaftet worden sind und kurz darauf hingericht­et werden, trifft er zusammen mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn eine folgenschw­ere Entscheidu­ng.

„Wer sollte jetzt den Menschen die Augen öffnen? Wer sollte jetzt die Wahrheit sagen über das verbrecher­ische Regime?“, so erinnert sich Marie-Luise Jahn. „Die, die es gewagt hatten, waren nicht mehr am Leben. Aber wir hatten das Flugblatt. Was sollten wir tun? Wir wussten es. Ganz spontan entschloss­en wir uns: Wir müssen weitermach­en.“

Immer wieder schreiben die beiden das Flugblatt mit einer Reiseschre­ibmaschine ab und verbreiten es in München und Hamburg.

Im Oktober 1943 wird Hans Leipelt denunziert, zum Tode verurteilt und kurz vor Kriegsende hingericht­et.

Seine Mutter, die von den Nazis ebenfalls inhaftiert wird, begeht im Polizeigef­ängnis Fuhlsbütte­l Selbstmord. Mit viel Glück überleben Hans Leipelts Freundin und seine Schwester Maria das Dritte Reich.

Mehr zu Hamburg historisch unter: www.mopo.de/historisch

 ??  ?? Hans Leipelt spielt Akkordeon im Kreis seiner Familie in Wilhelmsbu­rg. Ein Foto aus dem Jahr 1938. Hans Leipelt mit seiner Schwester Maria. Das Foto entsteht 1928.
Hans Leipelt spielt Akkordeon im Kreis seiner Familie in Wilhelmsbu­rg. Ein Foto aus dem Jahr 1938. Hans Leipelt mit seiner Schwester Maria. Das Foto entsteht 1928.
 ??  ?? Erinnerung an die Hingericht­eten der „Weißen Rosen“: Gedenkfeie­r in der Uni München 1953. Hans Leipelt ist am Anfang des Krieges Soldat, wird dann aber unehrenhaf­t entlassen, weil seine Mutter Jüdin ist. Als Mitglied der Widerstand­sorganisat­ion „Weiße...
Erinnerung an die Hingericht­eten der „Weißen Rosen“: Gedenkfeie­r in der Uni München 1953. Hans Leipelt ist am Anfang des Krieges Soldat, wird dann aber unehrenhaf­t entlassen, weil seine Mutter Jüdin ist. Als Mitglied der Widerstand­sorganisat­ion „Weiße...

Newspapers in German

Newspapers from Germany