Was ist dran am großen Vinyl-Hype?
AudioExperte erklärt, ob die LP besser klingt als CD, MP3 und Co.
DVon TILL STOPPENHAGEN ie Umsatzzahlen schießen durch die Decke, sie ist als Lifestyle-Objekt begehrt – und soll den Musikkenner vom -konsumenten unterscheiden: Die gute alte VinylSchallplatte feiert ihre Wiederauferstehung – vor allem heute, am Record Store Day (siehe Kasten). Aber klingt sie tatsächlich besser als digitale Musik, wie Highend-Fans behaupten? Die MOPO hat den Hamburger Audio- und Elektroingenieur Ralph Kessler (59) gefragt.
Glaubenskrieg auf dem Plattenteller:
„Ob nun die analoge Musik von der LP oder die digitale Musik von der CD besser
klingt, ist größtenteils ein Glaubenskrieg“, sagt der Sound-Experte. „Viele Hörer lieben die LP und ihre Makel wie Rauschen und Knacksen. Die Makellosigkeit der CD wird oft als weniger schön empfunden. Von den messbaren technischen Daten her ist die LP digitaler Musik in fast allen Bereichen unterlegen.“Mittlerweile zumindest: Zu Beginn der CDÄra in den 80ern sei die Studio-Technik noch nicht so weit gewesen, analog aufgenommene Musik perfekt in digitale Signale umzuwandeln – das Ergebnis: Diese CDs klangen zum Teil tatsächlich schlechter als die LP.
Schwachpunkt der Silberscheibe:
Sehr leise Stellen, zum Beispiel bei klassischer Musik, werden bei CDs aus technischen Gründen leicht verzerrt. „Dieser sogenannte Klirrfaktor kann geschulten Hörern auffallen“, sagt Kessler. „Bei einer LP sind solche leisen, feinen Details aber meist gar nicht hörbar, sondern gehen im Grundrauschen der analogen Aufnahme unter. Das finden viele Hörern angenehmer als eine leichte Verzerrung.“
Was bringen Highend-CDs?
Was sich laut Kessler tatsächlich lohnt, ist – eine richtig gute Anlage vorausgesetzt – der Kauf von sogenannten Super-Audio-CDs (SACDs) oder Blu-rays, die nur Musik enthalten: „Diese Formate nutzen 24-Bit-Technik, herkömmliche CDs nur 16 Bit – den Unterschied hört man durchaus.“
Wie gut sind MP3s? Auch wenn LPs mittlerweile höhere Umsätze bringen als digitale Downloads, kommen Tonträger bei den meisten Hörern ohnehin immer mehr aus der Mode. Doch Musik als Datei ist bei audiophilen Feinschmeckern in der Regel verpönt. Zu Recht? „Komprimierte Musikdateien wie MP3s können ab einer Datenrate von 256 Kilobit pro Sekunde annähernd so gut klingen wie eine CD“, erklärt der Fachmann. „Echte CD-Qualität werden sie aber nie erreichen. Ein geschultes Ohr wird durch Fehler, die bei der Kompression der Daten entstehen, immer einen Unterschied hören, vor allem bei Perkussionsinstrumenten.“
Lohnen sich verlustfreie Dateien?
„Sogenannte Lossless-Dateiformate wie FLAC haben CDQualität, zum Teil sogar mehr als das“, erklärt Kessler. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Datei gespeichert oder als Stream abgespielt wird.
Fehlt bei digitaler Musik nicht etwas?
Ein Argument der Vinyl-Verfechter: Beim Digitalisieren wird das durchgängige analoge Tonsignal in winzige Datenhäppchen zerhackt, dabei soll Klangqualität verlorengehen. „Das ist bei der heute üblichen Genauigkeit, mit der das analoge Signal abgetastet und in digitale Daten umgewandelt wird, nicht wahrnehmbar“, erklärt der Ingenieur, der Messgeräte für Studios entwickelt und die Tonspuren von Kinofilmen für die DVD-Veröffentlichungen aufbereitet. „Eigentlich dürfte man bei Abtastraten von 44 000 Hertz und höher keine Unterschiede mehr hören,
und das ist der Standard bei CDs.“
Fazit: Ob man sich für die Platte, die CD oder die verlustfreie Datei entscheidet, ist also Geschmackssache. „Ich würde meine LPs mit ihren schönen großen Covern nicht missen wollen“, sagt Kessler. „Das hat auch mit Musikkultur und bewusstem Hören zu tun. Aber die Klangqualität? Ich habe mal bei einen direkten Vergleichstest auf einer Highend-Anlage mitgemacht. Einmal fand ich die LP besser, zweimal die CD. Es ist alles rein subjektiv.“
Mehr Infos über Ralph Kessler: masterpinguin.de