Sonnabend, ab 22.45 Uhr, RTL live „Ich bin Jäger, ich muss angreifen“
Neue Rolle für Wladimir Klitschko. Als Herausforderer will sich der langjährige König des Schwergewichts auf den Thron zurückkämpfen. Im Mega-Kampf gegen den Weltmeister Anthony Joshua (27) geht es für Klitschko am Sonnabend vor 90000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion um viel mehr als den IBFGürtel des Briten und den vakanten Super-Champion-Titel der WBA. Was den 41Jährigen antreibt und was für ihn auf dem Spiel steht, verrät er im großen MOPO-Interview.
MOPO: Sie sind 41 Jahre alt, haben alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, und treten jetzt gegen einen Boxer an, der 14 Jahre jünger ist. Wem müssen Sie noch etwas beweisen? Wladimir Klitschko:
Mir selbst. Ich will mir selbst beweisen, dass ich jeden Mann, der mir im Ring gegenübersteht, besiegen kann. Ich will mir selbst zeigen, dass ich noch der Beste bin und dass ich stolz auf mich sein kann. Es geht ums eigene Ego. Der Titel ist Nebensache.
Joshua gilt als Zukunft des Schwergewichts, ist wie Sie Olympiasieger und hatte alle seiner 18 Profi-Kämpfe durch K.o. gewonnen. Ist er Ihr bislang stärkster Gegner?
Joshua ist jung, hungrig und schon nach 18 Kämpfen Weltmeister. Er ist der stärkste aller aktuellen Weltmeister. Aber der beste, der härteste, der gefährlichste, der schlimmste Gegner für mich bin ich selbst.
Warum?
Mein Bruder Vitali hat neulich zu mir gesagt: „Bruderherz, wenn du willst, wirst du gewinnen. Du musst den Willen haben, zu wollen.“Es geht nur um mich.
Also wollten Sie bei Ihrer Niederlage gegen Tyson Fury im November 2015 nicht? Oder nicht genug?
Ich habe verloren, weil ich einfach nicht genug gemacht habe. Das är-
gert mich selbst am meisten, denn ich bin mein größter Kritiker.
Waren Sie damals nicht fokussiert genug? Sie wirken diesmal bedingungsloser.
So eine Form der Besessenheit wie jetzt hat es bei mir noch nicht gegeben.
Eine Ihrer größten Stärken schien immer Besonnenheit zu sein? Kann Besessenheit nicht auch blind machen?
Es ist eine gesunde Form von Besessenheit, eine extreme Form von Liebe. Boxen ist Leidenschaft für mich. Was mein Ziel betrifft, gibt es keine Kompromisse. Ich habe jetzt die Chance, die Fehler wieder gutzumachen, wenn auch nicht gegen Fury. Vier von 68 Gegnern haben es geschafft, mich zu besiegen. Aber ich bin drei Mal wieder zurückgekommen. Die, die mich besiegt haben, sind von der Bildfläche verschwunden. Ich bin immer noch da. Und die Bühne ist größer als jemals zuvor. Die Leute werden „Klitschko reloaded“sehen.
Werden Sie anders kämpfen als in der Vergangenheit, aggressiver?
Als Weltmeister hatte ich jahrelang etwas zu verlieren, den Titel. Immer nur etwas verteidigen zu müssen, hemmt dich manchmal, macht dich vorsichtig, lässt dich Chancen verpassen. Jetzt bin ich Herausforderer, der Jäger. Ich muss angreifen. Ich will etwas haben, das Joshua hat.
Joshua wird oft mit Ihnen verglichen. Er hat gute Manieren, eine imposante Statur wie Sie, seine Muskelpakete sind sogar noch größer …
Ja, er hat wirklich dicke Muskeln. Das gibt ihm Selbstvertrauen. Er hat den perfekten Körper für Crossfit. Joshua könnte CrossfitWeltmeister sein. Aber Crossfit ist nicht Boxen. Boxen ist „Sweet Science“, eine Wissenschaft, eine Kunst.
Die vielleicht größte Kunst im Boxen ist es für Champions, im richtigen Moment abzutreten. Haben Sie nicht die Sorge, diesen verpassen zu können?
Habe ich es noch drauf ? Absolut! Davon bin ich überzeugt. Bin ich schon auf dem Höhepunkt? Nein! Ich kann mich immer noch verbessern.
Haben Sie das Gefühl, Ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft zu haben? Ist es das, was Sie antreibt, immer weiterzumachen?
Natürlich ist da der Wunsch, sein Talent möglichst vollständig auszuschöpfen. Ich möchte vollkommen sein. Aber das werde ich nie schaffen. Kein Mensch wird in seinem Leben sein gesamtes Potenzial abrufen. Der Lernprozess ist unendlich.
Eine Box-Karriere nicht. Wo liegt Ihre Grenze?
Keine Ahnung. Früher konnte sich keiner vorstellen, dass Sportler mit 40 Jahren noch Weltklasse sind. Der wohl beste AmericanFootballspieler hat kürzlich mit 39 den Super Bowl gewonnen
(Tom Brady, die Red.),
Roger Federer mit 35 die Australian Open, Bernhard Hopkins ist mit 48 Jahren noch mal Box-Weltmeister geworden. Mein Alter ist nur für die Leute ein Thema, für mich nicht.
Dennoch ist der WM-Kampf gegen Joshua ein reizvolles Duell der Generationen.
Ja, absolut! Das ist die spannende Frage: Kann es der Junge schaffen? Hat es der Ältere noch drauf ? Wir werden es sehen – im Ring. Das Interview führte NILS WEBER
„So eine Besessenheit hat es bei mir noch nicht gegeben.“ „Die, die mich besiegt haben, sind von der Bildfläche verschwunden.“