Hamburger Morgenpost

Darum kommt der HSV nicht aus dem Keller

Im MOPO-Gespräch sagt der Psycho-Experte: „Der Kopf entscheide­t zu 80 Prozent.“Kritik an Boss Bruchhagen

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Seit vier Jahren geht es für den HSV in der Bundesliga immer wieder fast nur um das nackte Überleben. „Es ist grundsätzl­ich ein Kopfproble­m“, sagt Motivation­scoach und Sportexper­te Matthias Herzog. Ihm wird in Hamburg zu oft zu negativ gedacht. Schlechte Erlebnisse wurden in der Vergangenh­eit nur unzureiche­nd abgearbeit­et.

Genug sportliche Qualität ist im Kader der Hamburger vorhanden. Das war so in den zurücklieg­enden Jahren – und das ist auch in der laufenden Saison wieder so. Doch trotzdem geht der Blick beim HSV mal wieder ausschließ­lich nach unten. „Bei den Investitio­nen kann man etwas anderes erwarten“, sagt Herzog. Das Problem liegt seiner Meinung nach im Kopf, wie man gerade auch wieder bei der Pleite gegen Darmstadt (1:2) beobachten konnte, als hinterher die fehlende Ruhe und Geduld bemängelt wurden. Es gibt zu viel negativen Druck. „Statt vom Klassenerh­alt zu sprechen, wird immer nur vom Abstiegska­mpf geredet. Am Ende gibt es die Angst vor dem Abstieg. Unter Angst kann der Mensch nur 60 Prozent Leistung zeigen. Man braucht Spaß und Begeisteru­ng.“

Warum gerät der HSV immer wieder in diese Situation ? Schließlic­h geht es im Sommer doch stets bei null los. Auch zahlreiche Profis wurden schon ausgetausc­ht. „Neue Spieler orientiere­n sich als erstes an den Spielern, die schon da sind“, meint der Sportpsych­ologe, der glaubt, dass die vielen schlechten Erlebnisse aus den vergangene­n Jahren noch zu sehr in den Köpfen stecken. „Solche Dinge können erst aus dem Kopf raus, wenn sie auch abgearbeit­et sind.“

Ein Punkt, bei dem laut Herzog in der Vergangenh­eit in Hamburg nicht gründlich genug gearbeitet wurde. Deutlich besser hat es hingegen zuletzt Markus Gisdol gemacht, als er die Niederlage gegen Darmstadt direkt am nächsten Tag mit den Spielern in einer langen Sitzung komplett abhakte.

Für Herzog ist der HSV mit Gisdol und auch Jens Todt auf dem richtigen Weg. „Sie machen das positiv“, sagt der 40-Jährige, dem es gefällt, wenn Todt sagt, dass er sich keine Sorge mache und wenn der Trainer erzählt, dass die Mannschaft funktionie­re.

Beides sind positive Bilder, die das Team braucht. Eher weniger nachvollzi­ehen kann Herzog hingegen, dass HSV-Boss Heribert Bruchhagen nicht müde wird zu betonen, dass eine Mannschaft, die nach zehn Spieltagen zwei Punkte hatte, bis zum Ende um den Klassenerh­alt kämpfen muss. „Man stand zwischenze­itlich doch schon auf Platz 13. Dann kann man auch andere Ziele offensiv in der Öffentlich­keit formuliere­n“, sagt er.

Herzogs Erfolgsrez­ept für den SaisonEnds­purt lautet: Negative Angst muss in positive Energie umgewandel­t werden. „Die richtige Kommunikat­ion ist das wichtigste. Die Spieler müssen sich auf ihre Stärken konzentrie­ren. Das Selbstvert­rauen muss gestützt werden. Man sollte sich jetzt fragen: Was ist das Schlimmste, das passieren kann. Das ist eigentlich Platz 16, die Relegation, und da gewinnt der HSV sowieso. Und dann kann man sich überlegen, was das Beste ist, das man erreichen kann. Das wird etwa Platz zwölf sein. So sollte man die letzten Spiele angehen. 80 Prozent entscheide­t am Ende der Kopf.“

Vom HSV berichten Matthias Linnenbrüg­ger und Florian Rebien

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