Das MuskelMonster wohnt noch bei Mama
Der Weltmeister sagt: „Ich habe viel von Wladimir gelernt.“Bilderbuch-Karriere hat dunkle Kapitel
Er gilt als die Zukunft des Schwergewichts-Boxens. Weltmeister ist Anthony Joshua gegenwärtig schon. Für den globalen Durchbruch braucht er den Sieg gegen Ex-Champion Wladimir Klitschko. Wer ist der Mann, der Klitschko am Sonnabend im Wembley-Stadion in Rente schicken will, der als meistgefürchteter Knockouter gilt und noch bei seiner Mutter wohnt?
Ohne Wladimir Klitschko wäre Anthony Joshua wohl nicht dort, wo er ist: auf dem WM-Thron (IBF-Version). Und er wäre vielleicht auch nicht, was er ist: Ein Champion außerhalb des Rings, Muster-Profi, Gentleman, Vorbild, Werbestar. Eine Art englischer Klitschko.
Joshua, der Mann mit dem Muskelbergen, der alle seine 18 Profikämpfe durch K.o. gewonnen hat, war einst Lehrling von Klitschko. Im Spätsommer 2014, ein knappes Jahr nach Beginn seiner Profikarriere, ackerte der heute 27-jährige Londoner als Trainingsund Sparringspartner im Camp des damaligen Dreifach-Weltmeisters in Tirol. Sog auf, speicherte ab. Setzte um.
„Ich habe viel von Wladimir gelernt, vor allem, was Professionalität angeht“, erzählte Joshua bei einem Treffen mit der MOPO kurz nach seinem WM-Sieg über Charles Martin (USA) im April 2016, durch den der Olympiasieger von London 2012 in Großbritannien endgültig zum Superstar und Werbe-Millionär avancierte.
Trotz des Reichtums und Ruhmes lebt Joshua die meiste Zeit des Jahres noch bei seiner Mutter Yeta, einer Nigerianerin, in einer Wohnung in Nord-London. Sie macht die Wäsche für ihn. Er liebt sie über alles. Nach seinem WM-Gewinn schenkte der Sohnemann der Mama einen 100000 Euro teuren Range Rover.
Für seine Kämpfe trainiert Joshua im „English Instiute of Sport“in Sheffield nach neuesten Methoden und Erkenntnissen der Wissenschaft – und unter Aufsicht von Experten. Der 112-KiloKoloss nimmt sechs Mahlzeiten am Tag zu sich. Sein Ernährungsberater ist auch für Manchester United tätig.
Joshua ist Perfektionist, wie Klitschko. Das war nicht immer so. Seine BilderbuchKarriere hat dunkle Kapitel. Seinen zweijährigen Sohn „JJ“sieht er selten, weil er mit der Kindesmutter, einer Stangen-Tänzerin, nicht mehr liiert ist. Als Jugendlicher war Joshua mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, zumeist wegen Schlägereien, und beinahe im Knast gelandet. Zwei Jahre vor seinem Olympiasieg wurde er von der Polizei im Auto mit 200 Gramm Cannabis erwischt und zu zwölf Monaten sozialer Arbeit verdonnert. „Ein Weckruf.“
Kometenhaft ging es seitdem bergauf. In kurzer Zeit hat sich „AJ“, so sein Spitzund Markenname, in die Weltspitze geboxt, mit Dynamit in den Fäusten. Er kämpft offensiv, aggressiv, explosiv. Keiner seiner 18 Gegner stand länger als sieben Runden.
Gefährlich. Für Klitschko. Aber auch für Joshua. 18 Kämpfe sind nicht viel. Klitschko hat 68 Kämpfe bestritten. Joshua fehlt Erfahrung. Auch die Erfahrung, zwölf Runden zu boxen. Sein Kinn gilt nicht als das stabilste. Und er hat noch gegen keinen absoluten Hochkaräter gekämpft, zu denen auch der von ihm entthronte Weltmeister Martin nicht zählt.
Klitschko ist die mit weitem Abstand größte Herausforderung seiner Karriere. „Wladimir ist eine Legende“, sagt Joshua voller Respekt. Beide schätzen sich. „Mit einem Sieg kann ich selbst zur Legende werden.“Er weiß aber auch, dass es schiefgehen kann. Vielleicht auch deshalb hat Anthony Joshua Mama Yeta verboten, zu seinem größten und schwersten Kampf ins Stadion zu kommen.