Sie soll Hamburg zur Fahrradstadt machen
Hamburg will zur Fahrradstadt werden – und sie soll dafür sorgen, dass das auch klappt: Kirsten Pfaue (43) ist seit anderthalb Jahren als Radverkehrskoordinatorin im Amt. Obwohl sie unter anderem das „Bündnis für den Radverkehr“auf den Weg gebracht hat, ist ihr Posten umstritten. Die MOPO sprach mit der ehemaligen ADFC-Vorsitzenden über ihren Job, den Radweg-Ausbau und Konflikte.
MOPO:Sie nicht Frau jeden Pfaue,Tag, wenn verzweifelnSie zur KirstenArbeit fahren?Pfaue: Nein, ich (lacht) Dabei fahre sehr müssen gerneSie 40 zur Jahre Arbeit. aufholen, Rad-Infrastrukturin denen nichts getan für wurde.die Frustriert das nicht? Ich verspüre eher einen täglichen Ansporn. Natürlich ist noch Luft nach oben, aber die vielen positiven Rückmeldungen zeigen, dass die Bewohner dieser Stadt auf eine Veränderung gewartet haben. Es gibt aber noch genug Orte, wo von Radweg-Ausbau nichts zu sehen ist. Haben Sie eine Vision, wann Sie fertig sind? Eine Stadt wie Hamburg wird immer einem Wandel ausgesetzt sein. Ich habe das Ziel, dass wir das Veloroutennetz bis 2020 ausgebaut haben ... ... sind die Velorouten nicht eher ein Prestige-Projekt? Könnte man nicht mehr als „nur“280 Radweg-Kilometer schaffen, wenn man etwas schlanker baut? Ich glaube, es ist wichtig, Netze anzubieten, auf denen Radfahrer komfortabel und zügig fahren können – auch längere Strecken. Darauf konzentrieren wir uns zuerst. Warum?
Gerade in dieser riesigen Stadt ist es wichtig, zu priorisieren. Es ist sinnvoll, mit den viel frequentierten Strecken anzufangen. Das wird Zeit brauchen. Auch habe ich ein klares Bild davon,
dass wir künftig neben den Velorouten auch Radschnellwege haben werden, die aus der Metropolregion kommend über die Velorouten ins Stadtzentrum führen. Haben Sie eigentlich genug Einflussmöglichkeiten, um diese Vorhaben umzusetzen? Ja sicher, meine Stelle ist mit sehr vielen Informations- und Beteiligungskompetenzen ausgestattet, die extra auf diese Rolle zugeschnitten sind. Ich kann bis hin zum Ersten Bürgermeister alle handelnden Akteure ansprechen – auf allen Entscheidungsebenen. Die Opposition belächelt Ihren Posten gerne. Dort heißt es, Ihre Stelle wurde nur geschaffen, um die Grünen zufriedenzustellen … Dem möchte ich ganz klar entgegentreten. Ich denke, es ist ganz wesentlich, bei diesem komplexen Thema eine Person zu haben, die darauf achtet, dass die Ziele und Maßnahmen in den Bereichen Infrastruktur, Service und Kommunikation wirklich vorangebracht werden. Die FDP arbeitet sich trotzdem an der Rad-Politik von Rot-Grün ab – zumal Sie und Ihr Stab die Stadt bisher mehr als 400 000 Euro gekostet haben. Meine Aufgabe ist es, alle Aktivitäten zur Förderung des Radverkehrs in Hamburg zu steuern und auch inhaltlich zu vermitteln. Dessen bedarf es auch, weil wir mitten in einer bebauten Stadt sind, in der es ganz verzweigte Zuständigkeiten gibt. Das in Hamburg geschlossene Bündnis für den Radverkehr bekommt bundesweit Anerkennung. Wie verhindern Sie denn, dass Sie zu ideologisch an die Sache rangehen? Bei allen Prozessen und Veränderungen, die wir im Straßenraum erleben, handeln wir aufgrund von Richtlinien, Grundlagen und Regelwerken. Verkehrspolitik und Verkehrsplanung erfolgt mit Augenmaß. Das ist weit weg von Ideologie. Aber es gibt doch viele Konflikte. Müssen Autofahrer einfach akzeptieren, dass sie im Jahr 2017 nicht mehr alleine auf der Straße unterwegs sind? Wir befinden uns in einem Veränderungsprozess. Es ist ganz normal, dass es zu Konflikten und Verärgerungen kommt – aber im nächsten Schritt auch zu Neugier und zu einer gewissen Aufbruchstimmung. Die Bürger merken, dass ein hoher Radverkehrsanteil der Lebensqualität in der gesamten Stadt guttut. Inwiefern?
Es gibt weniger Stau, weniger Lärm, bessere Luft und mehr Lebendigkeit im öffentlichen Raum durch Radverkehr und Fußgänger. Am Ende geht es doch darum, dass die Stimmung in der Stadt gut ist – und dazu trägt ein Mehr an Radfahrern bei. Manfred Güllner vom Meinungsforschungsinstitut „Forsa“bestreitet, dass mehr Menschen im Alltag das Fahrrad nutzen. Wie sehen Sie das? Ich denke, man braucht morgens nur mal rauszuschauen, um zu sehen, wie der Radverum kehr zugenommen hat. Es sind auffällig mehr Radfahrer unterwegs. Das wird mit steigenden Einwohnerzahlen zunehmen.
Für Zoff sorgt aktuell auch der Streit, wie der Elbstrand-Radweg in Övelgönne verlaufen könnte – über den Strand oder die Elbchaussee?
Fakt ist, dass es im Moment nicht einfach ist, von den Elbvororten in die Innenstadt zu fahren. Das liegt an dieser Schiebe-Strecke. Das ist aber kein neues Thema, das gibt es seit den 90er Jahren, es kommt immer wieder.
Und ich glaube, das Gute an der Diskussion ist, dass man sich insgesamt den Raum Altona anschaut, um zu sehen, wie man ihn für den Radverkehr entwickeln kann.
Immer wichtiger im Zusammenhang mit dem Radverkehr wird das Thema E-Mobilität. Sehen Sie die leicht motorisierten Pedelecs (bis 25 km/h) eigentlich auf den Velorouten?
Auf jeden Fall. Die Verkaufszahlen dieser Räder explodieren im Moment. Und gerade für die Pedelec-Fahrer sind die Velorouten interessant: Sie nutzen die Strecken,
„Bis 2020 soll das Veloroutennetz ausgebaut sein.“Kirsten Pfaue
zur Arbeit zu fahren – ohne anschließend eine Dusche zu benötigen. Macht es dann Sinn, die schnelleren E-Bikes (bis 45 km/h) auf die Straße zu verbannen? Das ist rechtlich vorgegeben.
Das könnte man ja diskutieren ... (lacht) Da habe ich derzeit
andere Themen auf der Agenda. Aber es ist ja vielleicht das Thema von übermorgen – wenn sich mehr Leute E-Bikes kaufen, aber nicht zwischen 40-Tonner und Bus auf der Straße fahren wollen. Das kann sicher ein Thema werden, weil sich die Mobilität stetig verändern wird. Wir kümmern uns jetzt erst einmal um den bestehenden Rad- und Fußverkehr. Haben Sie eigentlich ein Auto?
Ja.
Wofür nutzen Sie es?
(überlegt) Das ist eine berechtigte Frage. Wenn ich zu meinen Eltern oder mit meiner kleinen Tochter ins Schwimmbad fahre. Aber ehrlich gesagt: Ich brauche das Auto eigentlich nicht mehr. Es steht fast immer bei uns auf dem Grundstück. Das ist Luxus und bei mir eine Gewohnheitssache, weil ich schon immer ein Auto zur Verfügung hatte.
Das Interview führten MIKE SCHLINK UND FRANK WIEDING